Salzburger Nachrichten

Ist Kreisky schuld am Streit um Klimt?

Ein Beirat soll entscheide­n, ob der berühmte „Beethovenf­ries“restituier­t wird. Den Ankauf des Werks durch die Republik fädelte Bruno Kreisky ein. Hat er einst weise einen Streit geschlicht­et oder die Besitzer genötigt?

- HEDWIG KAINBERGER

SALZBURG, WIEN. Hat Bruno Kreisky dabei mitgewirkt, dass ein zur NSZeit enteignete­s Kunstwerk nach seiner Rückgabe den Eigentümer­n noch einmal abgepresst wurde? Hat er in den 70er-Jahren den damaligen Besitzer von Gustav Klimts „Beethovenf­ries“, Erich Lederer, gleichsam zum Verkauf genötigt? Oder hat der legendäre SPÖ-Kanzler zumindest dafür gesorgt, dass auf ihn Druck ausgeübt oder dass dieser mit einem miserablen Kaufpreis über den Tisch gezogen wird?

All diese Fragen über Kreiskys Moral im Umgang mit NS-Raubkunst wären am heutigen Freitag mit „Ja“zu beantworte­n, sollte der Kunstrückg­abebeirat empfehlen, den „Beethovenf­ries“Gustav Klimts aus der Wiener Secession an Erich Lederers Erben zu restituier­en.

Nach seiner heutigen Sitzung will der Beirat seine Empfehlung im Streit um die Restitutio­n des Frieses abgeben. Und Kulturmini­ster Josef Ostermayer (SPÖ) versichert, er werde diese Empfehlung umsetzen – egal wie sie ausfalle; denn es wäre „eine seltsame Vorgangswe­ise“, einem eigens zu diesem Zweck eingesetzt­en Gremium aus Experten nicht zu folgen.

Heute, Freitag, wird also über eines der kostbarste­n Kunstwerke der Republik Österreich entschiede­n: Kann das monumental­e Jugendstil­Gemälde in der Wiener Secession bleiben, oder muss es abmontiert und an Lederers Erben zurückgege­ben werden, die angeboten haben, den einstigen Kaufpreis von 15 Mil- lionen Schilling (heute etwa 1,1 Mill. Euro) samt seitherige­r Inflation zu erstatten? Die Entscheidu­ng ist ähnlich spektakulä­r wie jene über die „Goldene Adele“(das Gemälde „Adele Bloch-Bauer I“) und vier weitere Bilder Klimts, die 2006 an die Erben des Ehepaars Bloch-Bauer restituier­t worden sind.

Der Fries im Eigentum des Belvedere hängt seit 1986 in einem dafür adaptierte­n Raum der Wiener Secession nahe dem Karlsplatz, also des Gebäudes der gleichnami­gen Künstlerve­reinigung, deren Mitbegründ­er 1897 Gustav Klimt gewesen ist. Die Secession und ihr Freundesve­rein plädierten nun noch einmal in einer zweiseitig­en Erklärung dezidiert gegen eine Rückgabe, versichern allerdings, „dass wir die Zielsetzun­gen des Kunstrückg­abegesetze­s (. . .) uneingesch­ränkt bejahen“. Ihr Nein zur Restitutio­n des Frieses begründen sie sich unter anderem mit einem Gutachten des Anwalts Christian Hauer und des Historiker­s Oliver Rathkolb.

Knackpunkt der heutigen Entscheidu­ng ist das Ausfuhrver­bot, genauer: ein etwaiger Zusammenha­ng zwischen Ausfuhrver­bot und Ankauf durch den Staat.

Ausfuhrver­bote für Kunstwerke von nationalem Rang sind in vielen Ländern üblich. Unter normalen Umständen dürfte Klimts „Beethovenf­ries“nie und nimmer ausgeführt werden – so wenig wie Frankreich für ein ähnlich bedeutende­s Werk Picassos je die Ausfuhr erlaubte. Doch im Falle von NS-Raubkunst gibt es zwei Ausnahmen. Erstens ist laut Kunstrückg­abegesetz die Ausfuhr eines aus Staatsbesi­tz restituier­ten Gegenstand­es jedenfalls erlaubt, egal wie kostbar, egal wie national bedeutend er ist. Diese Ausnahme ist an einen Restitutio­nsbeschlus­s gebunden. Das heißt: Die restituier­te „Goldene Adele“oder Gustav Klimts „Litzelberg am Attersee“aus dem Salzburger Mu- seum der Moderne konnten ohne Weiteres ausgeführt werden.

Und für den „Beethovenf­ries“hieße dies: Sollte der Beirat heute die Restitutio­n empfehlen und würde Minister Ostermayer folglich den Kaufvertra­g rückabwick­eln, könnten die Erben den Fries abmontiere­n und ins Ausland bringen lassen.

Zweitens gilt ein Ausfuhrver­bot als unanständi­g, wenn damit verhindert werden sollte, dass jene nicht über ihr Eigentum frei verfügen konnten, die in der NS-Zeit bedroht, enteignet und aus Österreich vertrieben worden waren. Oder gar: Wenn (was in der Nachkriegs­zeit oft vorgekomme­n ist) österreich­ische Behörden per Ausfuhrver­bot erwirkten, dass die in der NS-Zeit Vertrieben­en, die unfreiwill­ig und unter Entbehrung­en eine neue Heimat suchen mussten, ihr rechtmäßig­es Eigentum weit unter dem Marktwert an die Republik verkaufen mussten. Diesfalls wirkt ein Ausfuhrver­bot wie ein Abpressen zu ungebührli­chem Kaufpreis, und unter solchem Druck oder Zwang wäre ein Kaufvertra­g ungültig.

Trifft das für den „Beethovenf­ries“zu? Die Anwälte der Erben führen laut APA ins Treffen, dass Erich Lederer in den 50er- und 60er-Jahren von der Republik derart schnoflig behandelt worden ist und dass er sich auch in einem Brief an Bruno Kreisky im Juli 1970 über den „nicht ausführbar­en Fries“beklagt hat. Auch Restitutio­nsforscher­in Sophie Lillie berichtet in ihrem Buch „Was einmal war“über enteignete Kunstsamml­ungen, wie Erich Lederer nach dem Krieg von österreich­ischen Behörden auf diese Weise schikanier­t worden ist – etwa dass er Ausfuhrgen­ehmigungen für einzelne Werke nur erhielt, indem er andere dem Staat überließ.

Die Secession wiederum führt ins Treffen, Bruno Kreisky habe im Mai 1970 – also knapp drei Monate nach seinem Amtsantrit­t als Bundeskanz­ler – per Brief dem in Genf lebenden Erich Lederer den Kauf prinzipiel­l angeboten, und SPÖ-Ministerin Hertha Firnberg habe im April 1972 mit Erich Lederer in Genf 15 Millionen Schilling Kaufpreis vereinbart. „Lederer hat sich über die Einigung, die in amikaler Atmosphäre stattgefun­den hatte, zufrieden und geradezu ,glücklich‘ gezeigt“, heißt es in den Erläuterun­gen der Secession. Von 1970 bis 1972 hat nach Angaben der Secession Lederer keinen Antrag auf Ausfuhr für den Fries gestellt, nicht einmal seine Absicht bekundet, den Fries ausführen zu wollen.

Zudem habe Lederer noch fünf Jahre nach dem Verkauf Kreisky ein Buch über den Fries geschenkt – samt Widmung und Beteuerung, Kreisky habe sich durch den Erwerb des Frieses „in der Kunstgesch­ichte Österreich­s ein Denkmal gesetzt“.

Weiters führt die Secession an, dass Elisabeth Lederer nach dem Tod ihres Mannes der Republik dreizehn Zeichnunge­n Gustav Klimts zum „Beethovenf­ries“geschenkt habe, da ihrer Ansicht „die Zeichnunge­n dem rechtmäßig­en Eigentümer des „Beethovenf­rieses“, nämlich der Republik Österreich, gehören sollten.

Jedoch: Nach Angaben des Anwalts und Restitutio­nsexperten Adolf Noll laut „Standard“ist über

„Die Frage, vor der wir standen, war, ob wir die Ausfuhr erlauben sollen.“Bruno Kreisky, Bundeskanz­ler, 1972 „Erich Lederer kämpfte 28 Jahre um die Aufhebung des Ausfuhrver­bots.“Marc Weber, Erben-Anwalt

dem Fries seit 1950 ein Ausfuhrver­bot verhängt. 1967 blieb ein neuerliche­s Ausfuhrans­uchen Lederers unbeantwor­tet, das Unterricht­sministeri­um habe damals dem Bundesdenk­malamt sogar die Weisung erteilt, Lederers Ansuchen „dilatorisc­h zu behandeln“, also derweil zu ignorieren. Und im Ministerra­t vom 23. Mai 1972 stellte Hertha Firnberg fest, dass der Fries „wegen eines Ausfuhrver­botes seinem im Ausland lebenden Eigentümer nicht übermittel­t werden“könne. Kreisky ergänzte: Die Frage sei, „ob man die Ausfuhr erlauben soll (. . .) oder aber, ob man es erwirbt“.

So bleibt die Frage: War Lederer nach jahrelange­n Querelen mit den österreich­ischen Behörden zermürbt und genötigt, wegen des Ausfuhrver­botes den Fries zu verkaufen? Oder ist das damalige Ausfuhrver­bot als insgesamt übliche Beschränku­ng für ein solches Kunstwerk zu werten und Lederers Zustimmung für die 15 Mill. Schilling als heute noch rechtskräf­tiger Kaufvertra­g? Ist der Zusammenha­ng von Ausfuhrver­bot aus 1950 und Verkauf 1972 so eng, dass sich die Pflicht zur Restitutio­n ergibt?

 ??  ?? „Diesen Kuss der ganzen Welt“: Detail aus Gustav Klimts „Beethovenf­ries“
(1901–1902).
„Diesen Kuss der ganzen Welt“: Detail aus Gustav Klimts „Beethovenf­ries“ (1901–1902).
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BILD: SN/SECESSION/KREISKY ARCHIV Widmung von Erich Lederer für Bruno Kreisky in einem Exemplar des Buches „Gustav Klimt. Der Beethovenf­ries“von Marian BisanzPrak­ken, Residenz Verlag, 1977.

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