Salzburger Nachrichten

„Wir sind nicht mehr länger die Diener und Kümmerer“

Fabian Dworzak ist Pfleger im Herzkathet­erlabor des LKH und Betriebsra­t der Landesklin­iken. Er erklärt, warum sein Berufsstan­d nicht nur mehr Gehalt will, sondern eine „Carevoluti­on“.

- Fabian Dworzak (31): „Wir wollen Anerkennun­g.“

SN: Ein Pfleger bekommt 2000 Euro Einstiegsg­ehalt. Warum ist das nicht genug? Dworzak: Unser eigentlich­es Gehalt sind ja nur 1545 Euro brutto. Dazu kommen dann Zulagen. Selbst wenn ich die dazuzähle, komme ich nur auf 2045 Euro, das sind dann 1433 Euro netto. Dabei hat sich unsere Berufsgrup­pe weiterentw­ickelt. In anderen Ländern ist die Pflege längst akademisch.

Unsere Lehrer haben einen Studienabs­chluss. Und auch die verdienen nur 1800 Euro netto. Da würde mich schon interessie­ren, was der Herr Stöckl als Lehrer verdient hat und ob er den Vergleich gerecht findet. Und meine Kollegen sind gerade dabei, sich ebenfalls akademisch ausbilden zu lassen. Wir haben ärztliche Tätigkeite­n übernommen, wie Zugänge zu legen und Chemothera­pien anzuhängen. Durch die Gehaltserh­öhung für Ärzte ist das Gefüge aus der Balance geraten. SN: Die Ärzte haben rund 30 Prozent mehr Gehalt bekommen. Seid ihr neidig? Ganz im Gegenteil. Ich finde sogar 30 Prozent sind noch zu wenig. Das war eine Notwendigk­eit und ist etwas, das unserem Gesundheit­ssystem hilft. Von Neid ist da keine Spur. SN: Ihr vergönnt es ihnen und wollt nun dasselbe? Nein, wir wollen mehr. Wir wollen auch als eigene, akademisch­e Berufsgrup­pe anerkannt werden. Und auch in dieser Leistungsk­ategorie entlohnt werden. Ja, wir sind jetzt noch zu einem großen Teil nicht akademisie­rt. Aber wir haben Erfahrung und es gibt Programme, in denen die Schwestern ihren Bachelor in we- nigen Semestern nachholen. Wir sind schon fast dort. Die Pflege hat das Zeitalter, in dem wir ein Diener und ein Kümmererbe­ruf waren, verlassen. Wir eröffnen Praxen, dürfen beraten und halten Vorträge. SN: Bei der Betriebsve­rsammlung war eine Kluft zwischen Ärzten und Pflege zu spüren. Was ist da dran? Das ist dieses alte Bild. Diese Dogmen gibt es im Kopf jedes Einzelnen. Ich sehe mich nicht so. Ich bin sehr wohl in der Lage zu fragen: Für wen machen wir diesen Eingriff ? Machen wir den, damit du deine Studien voranbring­st, oder hat es der Patient Not. Und im Dialog kann man das lösen. Und jeder Arzt und jeder Pfleger ist einem Dialog zugänglich. Wir reden miteinande­r. SN: Die Journaldie­nste wurden ebenfalls heftig diskutiert. Wie sieht so ein Dienst überhaupt aus? Das variiert. So ein Dienst kann sehr lange sein. Er hat zudem zwischen 22 und 6 Uhr sogenannte Nicht-Leistungss­tunden. Das bedeutet, dass der Pfleger die Zeit zu 160 Prozent seines Normallohn­s vergütet bekommt. Es ist eine gute Einnahmequ­elle. Aber es ist ein Glücksspie­l, wie viel man arbeitet. Teilweise stehen wir 24 Stunden am OP-Tisch. SN: Ist die Belastung in eurem Beruf schon zu hoch? Wir haben uns den Beruf ausgesucht und es war uns bewusst, dass wir es mit schwerst kranken und sterbenden Menschen zu tun haben, dass das psychisch belastend ist. Was wir aber nicht gewusst haben, ist, wie schlecht der Grundlohn ist. Jede Belastung ertrage ich gern, aber ich will eine entspreche­nde Entlohnung dafür haben. Bei uns sind es im Schnitt 8,28 Euro netto pro Stunde. Es gibt in unserem Beruf eine sehr hohe Drop-out-Rate. Die Leute bekommen Burn-out und Bandscheib­envorfälle. Meine Kollegen gehen am Rande der Leistungsg­renze. Sie können nicht mehr geben. Deshalb gibt es jetzt auch diesen Widerstand, diese „Carevoluti­on“. SN: Wie weit geht dieser Widerstand noch? Wir wollen erreichen, dass die Regierung auch merkt, dass die Krankenpfl­ege in der Lage ist, den Betrieb zum Stehen zu bringen. Das soll aber nicht zum Schaden der Patienten werden. Bis jetzt war die Pflege immer erpressbar mit dem Argument: Wenn ihr protestier­t, was ist dann mit euren Patienten? Wenn ich mit ihnen rede, sagen die: „Recht habt’s!“

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BILD: SN/ROBERT RATZER

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