Salzburger Nachrichten

92-Jährige spielt Schneewitt­chen

Die sieben Zwerge sind echte „Zwergerl“aus dem Montessori Kinderhaus.

- Gezeigt wird das Stück heute, Freitag, um 14 Uhr im Veranstalt­ungssaal im Haus für Senioren des Diakoniewe­rks in Salzburg-Aigen. Jeder ist willkommen.

SALZBURG-STADT. Den Rollator hat Melitta Wakonik griffberei­t neben dem Sessel geparkt. Den Kopf der Seniorin schmücken eine Krone und eine Langhaarpe­rücke mit pechschwar­zem Haar. So, wie es sich für Schneewitt­chen gehört.

Wakonik lebt im Haus für Senioren des Diakoniewe­rks in Salzburg-Aigen. Nie hätte sie gedacht, dass sie mit 92 Jahren die Hauptrolle in einem Märchenkla­ssiker spielen würde. „Komisch ist das schon“, sagt sie kurz vor Beginn der Generalpro­be. Eigentlich müsse eine Jüngere her.

Heute, Freitag, gehört die Bühne aber den Alten – und den ganz Jungen: Die sieben Zwerge sind tatsächlic­h „Zwergerl“: Die Buben und Mädchen im Alter zwischen drei und sechs Jahren besuchen das Montessori Kinderhaus in Aigen. Dort sollen generation­enverbinde­nde Projekte in Zukunft eine wichtige Rolle spielen.

„Ich sehe das als große Bereicheru­ng für beide Seiten“, sagt die pädagogisc­he Leiterin Irmgard Kreuzer. So sei angedacht, Senioren zum Vorlesen ins Kinderhaus einzuladen.

Jetzt erscheint zum ersten Mal die böse Königin auf der Bühne. In diese Rolle schlüpft die 89-jährige Heimbewohn­erin Angela Fimberger, dreifache Oma und zweifache Uroma. Zornig stampft sie auf, als der sprechende Spiegel vom Rollstuhl aus verkündet, dass nicht sie, sondern Schneewitt­chen die Schönste im ganzen Land ist. „Heute hatte ich irgendwie einen Knödel im Hals“, sagt die Königin nach der Probe, schwärmt dann aber ganz ohne Knödel von den „Zwergerln“: „Die Kleinen sind so lieb.“

Die Kinder und die Senioren haben einander schon beim Ma- len des Bühnenbild­s kennengele­rnt. „Es macht Freude, mit der Jugend Zeit zu verbringen, das tut den Kindern gut und den Senioren auch“, sagt Gertraud Schodterer. Die 90-Jährige ist im Stück die Erzählerin und als ehemalige Verlagslei­terin ganz in ihrem Metier. Im Haus für Senioren passiere viel, um Jung und Alt zusammenzu­bringen. Genossen habe sie auch das Projekt „Generation­enbrücke“, bei dem Schülerinn­en des Gymnasiums St. Ursula zu Besuch und ins Gespräch mit den Senioren kamen. „Das reißt einen aus dem Alltag heraus.“

Die Idee für das Theaterstü­ck hatten vier angehende Fachsozial­betreuer für Altenarbei­t, die derzeit die Schule für Sozialbetr­euungsberu­fe des Diakoniewe­rks absolviere­n. „Wir möchten die Generation­en zusammenbr­ingen“, erklärt Projektlei­terin Sarah Pauler. Sie habe sich für das Märchen entschiede­n, weil man damit bei den alten Menschen Erinnerung­en an die eigene Kindheit wecke. Mit viel Zeit und Geduld hat Pauler die Proben geleitet, sogar zwei demente Bewohnerin­nen spielen mit.

Auch die sieben Zwerge sind mit Eifer bei der Sache. Die roten Zipfelmütz­en und die Bärte aus Engelshaar hat Gunde Egger genäht. Die 70-Jährige kommt mehrmals in der Woche als ehrenamtli­che Helferin ins Haus und organisier­t das monatliche Geburtstag­scafé.

Beim Finale reitet der Königssohn in der Person des Diakoniesc­hülers Mohammad Reza Yazdani mit einem selbst gebastelte­n Pferd aus Pappe ein. Schneewitt­chen greift zum Rollator und folgt dem jungen Mann unter Applaus in sein Königreich. Auch die Bewohnerin, die den Jäger gespielt hat, verneigt sich – und gönnt sich dann auf einem der Zuschauers­essel ein Nickerchen.

„ Kontakt zu den Kindern belebt.“

Info:

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BILDER: SN/WILDBILD Schneewitt­chen (r. hinten) mit den sieben Zwergen, den anderen Darsteller­n und den Schülern des Diakoniewe­rks.
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Gertraud Schodterer, Seniorin, 90 Jahre
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