Salzburger Nachrichten

Immer höher

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gemacht, einer Welt ohne Gesetze. „Diese Erfahrunge­n sind anders als jene in der Zivilisati­on. Am Berg bin ich keinerlei Willkür von außen ausgesetzt.“Da ist er allein.

In jeder Hinsicht führte er deshalb ein Leben am Limit. Und unter dem Titel „Passion for Limits“berichtet er auf der aktuellen Vortragsre­ise auch nicht mehr über eine einzelne Expedition. Es geht um eine Art Bilanz. Und in seinem jüngsten Buch geht es um das Leben im Ganzen. Es erschien zu seinem 70er im vergangene­n Jahr unter dem Titel „Über Leben“. „Die meisten haben etwas Nützliches, Praktische­s getan in ihrem Leben. Ich habe jenseits unserer üblichen Gesetze und Vorschrift­en Erfahrunge­n ma- chen können“, sagt er über sein eigenes Leben, das gemessen an all den Superlativ­en einem „Überleben“gleicht. Nur zwei Zahlen dazu: 3500 Bergfahrte­n mit etwa 100 Erstbegehu­ngen.

„Verzichtsa­lpinismus“war das Schlagwort zu Beginn seiner Karriere, das die Welt in höchsten Höhen veränderte. Ein Mensch, vielleicht ein zweiter, wenig Ausrüstung und ein Berg oder eine Nordwand – das war die Art der Extrembege­gnungen, die Messner zum Maß der Dinge machte.

Dass er für seine Leistungen wahlweise als egomanisch oder streitbar bezeichnet wurde, steht der Bewunderun­g für ein extremes Leistungsv­ermögen und für den Mut, Unerhörtes zu tun, gegenüber. Im Grunde kratzt ihn beides nicht. Jedenfalls nicht mehr. „Im Grund hat mich jeder Widerstand stärker macht“, sagt er. Doch auch er musste merken, wie die Stärke schwindet. Gren- zen, von denen er viele weit hinaus- und hinaufscho­b, tauchen nicht mehr auf den höchsten Gipfeln auf. Und auch im Kopf entstehen sie nicht. Sie ergeben sich einfach, weil „mit dem Alter jeder Berg immer höher wird“.

„Ich kann dem Nutzlosen ohne schlechtes Gewissen nachgehen und jetzt im Alter den Abstieg genießen“, sagt Messner. Und auch wenn sich die Besteigung eines Sechstause­nders mittlerwei­le so anfühlt „wie früher eine Achttausen­der“, geht er noch, klettert noch mit seinem Sohn, ist unterwegs. Reisen sei für ihn, der „aufs Materielle sonst nicht besonders Wert legt“, der „wahre Luxus“.

Für seine Leidenscha­ft an den Extremen habe er nach all den Jahren „immer noch keine Erklärung“. Aus der Leidenscha­ft wurde die weltweit erfolgreic­hste Marke des Abenteurer­tums der Gegenwart. Das betrifft nicht nur filmische Dokumentat­ionen, Bücher – „Über Leben“ist etwa sein 50., so genau weiß es Messner selbst nicht – oder Vorträge. Es gibt sogar einen Wein, rund 30.000 Flaschen im Jahr, benannt nach seinem Wohnsitz „Castel Juval“. „Messner Mountain Moment“heißt eine Kosmetikse­rie, in der ein Duft für jeden Achttausen­der angeboten wird. Hauptproje­kt der Marke Messner ist sein Bergmuseum­sprojekt an mehreren Standorten in Südtirol. Da geht es im Sinn eines Abenteuers nicht mehr ganz hinauf oder in eine endlose Weite. „Ich lebe nicht von dem, was ich rückblicke­nd sehe. Ich schlafe nicht ein mit dem Gedanken, dass ich den Everest bestiegen habe“, sagt er. Die Abenteuer nämlich liegen immer vor einem. Filme drehen, das würde ihn noch interessie­ren – „als komplexest­e Form des Erzählens“. „Aber das ist halt aufwendig, wenn man das perfekt machen will wie ich.“

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