Europa braucht ein einheitliches Mautsystem
Auf 24 verschiedene Arten werden die Autofahrer in Europa derzeit zur Kassa gebeten. Doch das soll sich bald ändern.
Die Reisefreiheit ist die wohl positivste Verbindung, die die meisten Bürger mit der EU herstellen. Besonders in Grenznähe. Für viele, ganz besonders für Jugendliche, ist es heute eine Selbstverständlichkeit, zum Arbeiten, Einkaufen oder einfach in der Freizeit ins benachbarte Deutschland zu fahren. Es fühlt sich nicht nur selbstverständlich an, es ist auch eine Grundfreiheit in der EU. Durch die Einführung einer Maut wird diese Freiheit natürlich nicht per se verletzt. Sie kann aber eingeschränkt werden, wenn EUAusländer dadurch diskriminiert werden. Ob das bei der deutschen Maut der Fall ist, wird vermutlich der Europäische Gerichtshof beantworten müssen, denn Klagen sind zu erwarten.
Eine Verletzung des EU-Rechts liegt nahe, wenn Deutsche die volle Summe der Maut über die KfzSteuer zurückbekommen, andere EU-Bürger aber zahlen müssen. Die Kommission hätte sich in der Diskussion mit dieser Feststellung begnügen können. So hatte es die alte Kommission noch getan.
Die amtierende Verkehrskommissarin Violeta Bulc nimmt aber eine heikle Diskussion wieder auf. 24 verschiedene Mautsysteme gibt es derzeit in der EU. Alle Länder davon zu überzeugen, das eigene über Bord zu werfen und an einem gemeinsamen zu arbeiten, ist so aufwendig und mühsam, wie es klingt.
Es gebe keine Mehrheit dafür, hieß es lapidar dazu aus dem Team des alten Verkehrskommissars. Die wird auch seine Nachfolgerin nicht auf Anhieb vorfinden. Aber sie hat überzeugende Argumente.
Unter anderem will die neue Kommission, das bestätigt ein aktuelles Papier, die Verkehrsinfrastruktur in Europa damit verbessern. Wer Auto fährt, soll einen entsprechenden finanziellen Beitrag zur Erhaltung der Straßen leisten, so die Grundidee. Mit dem System der Vignette ist das laut Kommission aber nicht entsprechend erfüllt. Gerechter und sinnvoller wäre laut Bulc eine kilometerbezogene Maut. Die würde auch den umweltpolitischen Aspekt stärker berücksichtigen.
Ein einheitliches Mautsystem hilft aber auch dem einzelnen Bürger. Er kann davon ausgehen, nicht diskriminiert zu werden, und braucht sich beim Grenzübertritt weniger Gedanken über die Regelungen im anderen Land zu machen, auch wenn die Höhe der Maut vielleicht variiert. In diesem Sinn wäre eine Vereinheitlichung auch ein weiteres sichtbares Zeichen dafür, dass Europa stärker zusammenwächst. Die aktuelle Debatte für sich zu nutzen ist aus Sicht der Kommission nur logisch – und völlig legitim.