Salzburger Nachrichten

Unmut über das Pensionspa­radies Wien

Verschlepp­te Reformen, massenweis­e Frühpensio­nierungen – doch Häupl verwahrt sich gegen „Einmischun­gen“.

- WIEN. a. k.

Er hat es schon wieder getan: Am Donnerstag nutzte Wiens Bürgermeis­ter Michael Häupl die Plattform der Wiener Gratisgaze­tte „heute“, um Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling auszuricht­en, er möge „gefälligst Wien in Ruhe lassen“. Wenige Tage zuvor hatte Häupl im ORF-Radio erklärt, dass die Zustände in Wien den Finanzmini­ster „nichts angehen“, weshalb er, Schelling, nicht ständig „auf Wien hinpecken“solle.

Grund für den öffentlich­en Unmut des wahlkämpfe­nden Wiener Stadtvater­s ist der Umstand, dass Schelling mehrfach eine Reform für das Wiener Beamtenpen­sionswesen gefordert hatte. Dieses ist nicht nur der ÖVP, sondern auch dem Rechnungsh­of ein Dorn im Auge. Denn Wien hat die vom Bund vorgegeben­e und längst beschlosse­ne Pensionsre­form für seine Landesbeam­ten nicht umgesetzt. Beziehungs­weise, um es mit den Worten des Wiener Bürgermeis­ters zu sagen: Wien hat die Reform umgesetzt, „aber mit anderen Zeiten“.

Soll heißen: Die Wiener Beamten erfreuen sich noch etliche Jahre jener Pensionspr­ivilegien, die auf Bundeseben­e und im Großteil der anderen Bundesländ­er längst Geschichte sind.

Nach Angaben der Wiener ÖVP sind im vergangene­n Jahr rund 900 Beamtinnen und Beamte der Stadt Wien (die identisch ist mit dem Land Wien) pensionier­t worden. Davon 536, also weit mehr als die Hälfte, vorzeitig, und zwar mit durchschni­ttlich 54,4 Jahren. 534 der 536 Frühpensio­nierungen erfolgten aus gesundheit­lichen Gründen. Schlussfol­gerung der Wiener ÖVP: „Die Stadt Wien schafft es nicht, ihre Beamten lang genug gesund im Dienst zu halten.“Respektive: sie zu beschäftig­en. Denn wenn für einen Beamten keine „angemessen­e Beschäftig­ung“vorhanden ist, kann er, ohne Abschläge hinnehmen zu müssen, in den Ruhestand versetzt werden. Dies alles kostet die Steuerzahl­er nach ÖVPAngaben bis zu 200 Mill. im Jahr.

Auch was die Pensionshö­he betrifft, sind die Wiener Landesbeam­ten im Vorteil. Der 40-jährige Durchrechn­ungszeitra­um für die Pensionsbe­messung wird auf Bundeseben­e bereits 2028 erreicht. In Wien erst 2042, was bis dahin zu höheren Pensionen führt. Der Rechnungsh­of legte bereits vor geraumer Zeit Sparvorsch­läge vor, deren Umsetzung die Steuerzahl­er bis 2042 um 350 Millionen Euro entlasten würde.

Bürgermeis­ter Häupl bleibt ungerührt, er verweist darauf, dass die Pensionsre­form des Bundes von der (von ihm wenig geschätzte­n) ÖVPFPÖ-Regierung beschlosse­n wurde. „Warum soll ich eine schwarz-blaue Pensionsre­form 1:1 umsetzen, die ich schon damals kritisiert habe?“, fragte er den interviewe­nden „heute“-Reporter.

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WWW.SALZBURG.COM/WIZANY Pensionspa­radiesgart­en . . .
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BILD: SN/APA/ROBERT JAEGER Großzügige­r Pensionsre­chner: Wiens Bürgermeis­ter Michael Häupl (im Bild mit Finanzstad­trätin Renate Brauner).

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