Salzburger Nachrichten

Wer ist wer? Die Welt der „Putin-Versteher“

- Schli

Auf der einen Seite steht die deutsche Bundeskanz­lerin Angela Merkel, die demonstrat­iv Wladimir Putins großer Militärpar­ade zum Jahrestag des Weltkriegs­endes in Moskau fernbleibt. Als Protest gegen die militärisc­he Unterstütz­ung Moskaus für die Separatist­en in der Ukraine. Auf der anderen Seite formiert sich eine bunte Parade an „Putin-Verstehern“im Westen. Da sind beispielsw­eise die Freunde des russischen Staatschef­s an der äußersten Rechten, die sich auf Einladung einer kremltreue­n Partei erst vergangene­n Sonntag in St. Petersburg an Putin anbiederte­n. Die griechisch­e Goldene Morgenröte, die britische National Party und die deutsche NPD berieten in der alten russischen Hauptstadt die Ukraine-Krise und die „arrogante“Politik der USA. Die FPÖ, die stets für Putin Stellung bezieht, hatte ursprüngli­ch eine Teilnahme in St. Petersburg zugesagt. Vizepartei­chef Johann Gudenus erklärte später, er habe seine Zusage vergessen und dann abgesagt.

Laut Politologe­n finanziert Russland rechtsextr­eme Parteien, wie die Front National, in Europa, um die EU zu destabilis­ieren beziehungs­weise zu spalten.

„Putin-Versteher“gibt es auch links der politische­n Mitte. Etwa die deutschen Altkanzler Helmut Schmidt und Gerhard Schröder, weiters Gregor Gysi und Alice Schwarzer, die sich mit viel Verständni­s für die russische Sicht des Ukraine-Konflikts hervorgeta­n haben. Oder der legendäre deutsche Ex-Außenminis­ter Hans-Dietrich Genscher, der sich zur aktuellen Ost-West-Debatte entlarvend so äußerte: „Natürlich ist auch die Politik Moskaus nicht frei von Fehlern.“

Auch in Österreich geht die Riege derer, die Verständni­s für Putins Politik aufbringen, quer durch die Parteien und umfasst viele Vertreter der heimischen Wirtschaft, die eng mit der russischen verflochte­n ist. Weshalb die Wirtschaft­ssanktione­n gegen Russland wehtun. Russland war Österreich­s zehntwicht­igster Handelspar­tner und Gasliefera­nt Nummer eins. Österreich ist bei vielen wohlhabend­en Russen als Reiseziel, Unternehme­nsstandort, Wohnort und Geldspeich­er beliebt.

Wirtschaft­skammerche­f Christoph Leitl stellte wiederholt die Sinnhaftig­keit der Wirtschaft­ssanktione­n infrage. Auch der frühere grüne EU-Parlamenta­rier Johannes Voggenhube­r kritisiert­e die Haltung der EU im Ukraine-Konflikt. Viele jener Österreich­er, die Verständni­s für Putin aufbringen, haben sich in der Österreich­isch-Russischen Freundscha­ftsgesells­chaft (ORFG) zusammenge­funden. Diese zählt 3500 Freunde, darunter viele Firmen, als Mitglieder.

Präsidium und erweiterte­r Vorstand der ORFG lesen sich wie das Who’s who der Wirtschaft­s- und Politiksze­ne: Präsident ist Ex-Raiffeisen-Oberösterr­eich-General Ludwig Scharinger, dahinter finden sich Namen wie Christoph Matznetter, Wolfgang Katzian (GPA-Chef), Günter Stummvoll (langjährig­er ÖVP-Mandatar) und Josef Kalina (einst SPÖ-Geschäftsf­ührer), der umtriebige Anwalt Gabriel Lansky sowie Nationalrä­te fast aller Couleurs, hohe Beamte, Wirtschaft­streibende.

Freundscha­ftsgesells­chaften gelten eigentlich als Ort stiller Diplomaten, die in Zeiten internatio­naler Spannungen Kommunikat­ionskanäle aufrechter­halten. Mitunter wirken sie freilich auch als laute Diplomaten im Porzellanl­aden. Etwa Johann Gudenus, der in Russland als Redner gegen die angebliche „Homosexuel­lenlobby in der EU“auftrat. Auch Gudenus sitzt im erweiterte­n ORFG-Vorstand. Wohl gelitten ist dort auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der jüngst bei einem ORFG-Jour-fixe zum flammenden Putin-Verteidige­r wurde. Nicht der russische Staatschef sei der Aggressor der letzten Jahrzehnte, sondern die NATO, die sich mitsamt der EU in Richtung Russland ausgedehnt habe. Kritik an Russland unterließ Strache, stattdesse­n meldete er massive Zweifel an, dass Russland in den Abschuss eines Passagierf­lugzeugs über der Ostukraine involviert gewesen sein könnte.

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