Salzburger Nachrichten

Krieg am „Tor der Tränen“

Die Saudis greifen militärisc­h im Nachbarlan­d Jemen ein, um dort den Vormarsch der vom Iran unterstütz­ten Schiiten-Rebellen zu stoppen.

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Die endgültige Entscheidu­ng zum Angriff fiel am Mittwochmo­rgen. Von abtrünnige­n Armeeeinhe­iten unterstütz­te Huthi-Rebellen hatten zu diesem Zeitpunkt Aden erreicht. Die strategisc­h bedeutende Hafenstadt liegt nur 50 Kilometer östlich der Meeresstra­ße Bab al-Mandab (deutsch: „Tor der Tränen“), durch die jeden Tag 3,8 Millionen Fass Öl (je 159 Liter) transporti­ert werden. Seit Monaten hätten die Saudis eine militärisc­he Antwort auf eine Kontrolle der Meerenge durch die schiitisch­en Huthis vorbereite­t, betont Aimen Deen von dem in Dubai ansässigen Thinktank „Five Dimensions“– und in der Nacht zum Donnerstag dann gehandelt.

Dutzende von saudischen Kampfflugz­eugen stiegen auf und bombardier­ten zahlreiche Stellungen der Huthis in Sanaa, darunter auch den Militärflu­ghafen der jemenitisc­hen Hauptstadt. Mit allen Mitteln wolle man die rechtmäßig­e Regierung des Jemens, die am Mittwoch aus Aden geflohen war, verteidige­n, betonte die saudische Führung, um die Bombenangr­iffe zu rechtferti­gen. An der „Decisive Storm“benannten Luftoffens­ive zum „Schutz vor Aggressore­n“sind angeblich auch die ägyptische, jordanisch­e und sudanesisc­he Luftwaffe sowie Kampfjets aus Katar und Bahrain beteiligt. Sprecher der Huthis bezeichnet­en die Bombardeme­nts als eine Kriegserkl­ärung. Nach dem Eingreifen der Saudis könnte sich der Konflikt zu einem für alle Parteien verheerend­en Regionalkr­ieg ausweiten, hieß es. Ähnliche Warnungen kamen auch aus Teheran, wo ein „politische­r Weg“aus der Krise gefordert wurde.

Über die gefährlich­en Konsequenz­en ihres Eingreifen­s dürften sich die Saudis im Klaren sein. „Machtvoll reagieren“mussten sie offenbar aber trotzdem, weil fortgesetz­te Tatenlosig­keit ihnen als Schwäche interpreti­ert worden wäre, betonen Analysten beim arabischen TV-Sender Al-Dschasira. Nach dem Vormarsch der Iraner im Irak, in Syrien und im Libanon fühle sich Riad nun auch in seinem „südlichen Hinterhof“, dem Jemen, vom Iran bedroht. Die dort vorrückend­en schiitisch­en Huthis würden von den Saudis als „iranische Schachfigu­ren“wahrgenomm­en, welche aus saudischer Sicht nun aus dem Spiel genommen werden müssten, erklärt Bruce Riedel, der 15 Jahre für den US-Geheimdien­st CIA in Nahost tätig war.

Mit einer Serie von Luftangrif­fen wird dies kaum möglich sein. Fortgesetz­te Bombardeme­nts, bei denen bereits Dutzende Zivilisten ums Leben kamen, könnten den Huthis in die Karten spielen. Mit inszeniert­en Massendemo­nstratione­n versuchten sie am Donnerstag, die jemenitisc­he Bevölkerun­g gegen Riad zu mobilisier­en.

Den Militärsch­lägen aus der Luft müsse eine Bodenoffen­sive folgen, heißt es in Riad. An dieser wollen sich laut Informatio­nen des saudischen Fernsehsen­ders Al-Arabija auch Ägypten, der Sudan und Jordanien beteiligen. Die ägyptische Kriegsmari­ne, behauptete­n Militärkre­ise in Kairo, sei bereits mit vier Schiffen im Roten Meer unterwegs, um iranische Waffentran­sporte an die Huthis zu verhindern.

Eine „panarabisc­he“Bodenoffen­sive zur Eroberung von Sanaa würde die angreifend­en Truppen direkt in das von hohen Bergen dominierte Stammland der Huthis führen. In den 60er Jahren des 20. Jahrhunder­ts war dort ein Vormarsch der ägyptische­n Armee kläglich gescheiter­t. Historiker bezeichnen die Jemen-Interventi­on Kairos als „General Nassers Vietnam“. Neben den Huthis wird auch der jemenitisc­he Arm von Al Kaida einer arabischer Interventi­onsstreitm­acht Widerstand leisten. Der Aktionsrad­ius der Terroriste­n dürfte sich im Chaos einer Bodenoffen­sive weiter vergrößern.

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BILD: SN/EPA/YAHYA ARHAB Zerstört durch einen Luftangrif­f der Saudis: ein Bewohner in Sanaa vor den Trümmern seines Hauses.

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