Für Frauen noch immer ein gefährlicher Platz
Ein abscheulicher Lynchmord in Kabul zeigt, wie es um die Rechte der Frauen in Afghanistan wirklich bestellt ist.
Die 27-jährige Farkhunda besuchte regelmäßig eine Koranschule. Sie kleidete sich gemäß traditionellen Gepflogenheiten von Kopf bis Fuß in schwarze Überhänge, die nur die Augen frei ließen. Die junge Frau aus Kabul war so fromm, dass sie offenbar den Mullah einer der bedeutendsten Moscheen im Zentrum von Kabul nervte. Als Farkhunda ihm vorhielt, mit dem Verkauf von Amuletten den Aberglauben armer und nahezu mittelloser Frauen auszunutzen, sah der Geistliche aus Furcht um seine lukrativen Nebeneinkünfte rot. „Sie hat den Koran verbrannt“, ließ er einen seiner Handlanger brüllen.
Es folgte ein zwei Stunden langer brutaler Lynchmord. Das blutüberströmte Gesicht der sterbenden Farkhunda steht nun 14 Jahre nach der Vertreibung der radikalislamischen Talibanmilizen ebenso als Symbol des heutigen Afghanistan, wie im Jahr 1999 der gewaltsame Tod der in einer weißen Burka verhüllten Afghanin Zarmina zum Sinnbild des Talibanterrors in Afghanistan geworden ist. Heimliche Filmaufnahmen aus dem Fußballstadion von Kabul zeigten damals, wie die Frau vor Tausenden von Zuschauern mit einem Kopfschuss hingerichtet wurde.
Ein paar Polizisten versuchten in der vergangenen Woche zunächst, die junge Farkhunda zu retten und auf ein Dach zu ziehen. Aber der wild gewordene Lynchmob riss Farkhunda wieder an sich und schleifte die Frau hinter einem Auto her. Junge Männer mit Smartphones in den Händen traten auf den Körper ein. Schließlich wurde ihr lebloser Körper auf einen Abfallhaufen am Kabulfluss geworfen und verbrannt. Ausgerechnet eine fromme und konservative junge Muslimin fiel einem fanatischen Mob zum Opfer, der von einem konservativen und um seinen Nebenverdienst fürchtenden Mullah angestachelt worden war.
„Der Mord zeigt, dass Afghanistan immer noch einer der gefährlichsten Plätze der Welt für Frauen ist“, sagt Fawzia Koofi, eine Parlamentarierin und Frauenrechtsaktivistin. „Es gibt kein Gesetz, nicht nur für Frauen. Niemand in diesem Land kann sich sicher fühlen.“
Frauen protestierten in Kabul wütend gegen den Lynchmord. Bei der Bestattung Farkhundas trugen Frauen entgegen sonstiger Gepflogenheiten den Sarg. Entgegen der gängigen Praxis, bei der Verbrechen an Frauen unter den Teppich gekehrt werden, scheint die Regierung um Aufklärung bemüht zu sein. Kabuls Polizeisprecher musste abtreten, weil er das Verhalten seiner Kollegen gerechtfertigt hatte. Ein Dutzend Polizisten wurde vom Dienst suspendiert. 28 Personen wurden festgenommen.
Präsident Ashraf Ghani sah sich bei seinem ersten USA-Besuch zu klaren Worten genötigt. „Afghanistan kann nur mithilfe der Frauen vorankommen“, erklärte er. Seit 2001 haben westliche Regierungen und Hilfsorganisationen ja Millionen US-Dollar in die Förderung von afghanischen Frauen gesteckt.