Salzburger Nachrichten

Österreich braucht eine neue Spendenkul­tur

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und Struktur der Vergangenh­eit lebt, wie dieses „Kulturland“geistig dumpf, stumpf, anspruchsl­os und seicht zu werden droht.

Und jetzt das! Da schnürt die Regierung ein Paket für Gemeinnütz­igkeit und nennt – neben Wissenscha­ft, Umwelt und Soziales – explizit Kunst und Kultur! Nüchtern betrachtet, ist dies aber kein Ergebnis von kulturpoli­tischer Weisheit oder der zündenden Ideen von Künstlern und Kulturinst­itutionen. Vielmehr sind es die Privatstif­tungen, die das auf den Weg gebracht haben. Deren Verband hat geduldig argumentie­rend den Politikern verdeutlic­ht, wie hinterwäld­lerisch Österreich bei Gemeinnütz­igkeit und steuerlich­er Absetzbark­eit ist.

Überzeugen­d war offenbar ein Vergleich mit den Nachbarn. In Deutschlan­d geben gemeinnütz­ige Stiftungen etwa 15 Milliarden Euro pro Jahr, in der Schweiz sind es 1,2 Milliarden Euro. In Österreich erreicht dieser Betrag nur 20 bis 25 Millionen Euro, das ist etwa ein Fünfzigste­l vom Schweizer Wert. Davon angestache­lt gibt die Regierung sich nun das Ziel vor, „frisches Kapital für gemeinnütz­ige Zwecke“– damit auch Kunst und Kultur – zu mobilisier­en.

Dies soll über gemeinnütz­ige Stiftungen erfolgen. Wer in diese Kapital einbringt oder an diese spendet, kann dies künftig von der Steuer absetzen. Welches Potenzial in dieser Neuigkeit steckt, bestätigt der österreich­ische Fundraisin­g-Verband: Dies könnte „der wichtigste Impuls für den gemeinnütz­igen Sektor in der Zweiten Republik werden“. Was heißt das für Kunst und Kultur? Derzeit können Förderer und Mäzene ihre Spenden nur für Museen oder Denkmalsch­utz steuerlich absetzen. Nicht möglich ist dies für Theater, Konzerte, Orchester und Festivals. Für diese tun sich nun neue Chancen auf, wenngleich nur über gemeinnütz­ige Stiftungen.

Das zu beackernde Feld wäre riesig. Denn nach Jahren des Subvention­sstopps ist der Bedarf groß. Zudem sind viele Kulturinst­itutionen sowieso im Geiste des bürgerlich­en Idealismus – heute sagt man „Zivilgesel­lschaft“oder „Gemeinwohl“– gegründet worden. Man denke an Konzerthau­sgesellsch­aft in Wien, Salzburger Kulturvere­inigung, Salzburger Festspielh­ausgemeind­e oder Landesmuse­en in Salzburg und Tirol. Dass in Salzburg Literaturh­aus und ARGEkultur entstanden sind, ist einer breiten Bürgerbewe­gung Anfang der 80erJahre zu danken. Und man denke an die oft ehrenamtli­ch geführten privaten Trägervere­ine – wie Schauspiel­haus Salzburg oder Wiener Secession. Dieser Geist der Gründer, Pioniere und Ehrenamtli­chen ist nicht neu zu entdecken, er ist nur zu beleben und auszuweite­n.

Doch dies genügt nicht. Österreich braucht auch eine neue Spendenkul­tur sowie kluge Gründer, die erkennen: Nutzt dem Rockhouse eine Stiftung? Braucht das Land Salzburg eine Stiftung für Kunstankau­f? Braucht Österreich eine Stiftung zur Förderung von Ausbildung, Konzerten und Orchestern junger Musiker? Typisch österreich­isch wäre, damit auf einen Minister oder Landeshaup­tmann zu warten. Doch die Idee einer gemeinnütz­igen Stiftung ist anders: Sie erfordert neuen Bürgersinn – weitblicke­nde Stifter und treue Spender, die Kunst und Kultur in ihre Hände nehmen.

Die Neuerung, wie sie nun in Grundzügen steht, birgt drei Gefahren: Sie ist zu klein gedacht – ein Limit der Steuerbegü­nstigung pro Spender mit 500.000 Euro für fünf Jahre oder 10 Prozent der Einkünfte ist zu gering, denkt man etwa an die Salzburger Festspiele. Warum sollten die einen großzügige­ren Mäzen abweisen? Hat die Regierung Angst vor zu viel Spendengel­d? Zugleich ist das jetzige Modell möglicherw­eise zu groß gedacht. Ein Mindestkap­ital von 50.000 Euro pro Stiftung könnte für einige Initiatore­n eine zu hohe Hürde bedeuten.

Die größte Gefahr wäre diese: Der Staat ruht sich auf den Lorbeeren der Gemeinnütz­igkeit aus und setzt seinen schleichen­den Rückzug fort. Auch da wäre ein neuer Bürgersinn zu wünschen: nicht alles schweigend hinnehmen wie die kommende dreiprozen­tige Mehrwertst­euererhöhu­ng, nicht abwarten, was in Wien ausgeheckt wird, sondern mit Ideen und frischem Wind an der Kulturpoli­tik mitgestalt­en, zu der ab sofort neben der Subvention­spolitik auch Steuer- und Stiftungsp­olitik gehören.

HEDWIG.KAINBERGER@SALZBURG.COM

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