Spiegel einer kaputten Welt
Die neue TV-Serie und das neue Buch von David Schalko heißen „Altes Geld“. Zu lachen gibt es in beiden nicht viel.
David Schalko hat sich als Autor und Regisseur von „Braunschlag“und „Aufschneider“wie auch als Literat einen Namen gemacht. Mit der Familiensaga „Altes Geld“– unter anderem mit Udo Kier, Sunnyi Melles, Nicholas Ofczarek und Manuel Rubey – erobert er sich ästhetisch neues Terrain. SN: Was war die Grundidee zur Serie? Schalko: Eine Bildidee. Mir schwebte eine alte Filmwelt vor, man kann sich an Visconti-Filme oder an Hitchcock erinnert fühlen. Es soll alles ein bisschen wie ein Gemälde aussehen. „Altes Geld“zeigt eine entrückte, manierierte Realität, die aber immer noch den Anspruch hat, Realität zu sein. SN: Komik spielt weniger Rolle als in „Braunschlag“. Ist „Altes Geld“Komödie oder Drama? Wahrscheinlich hängt es davon ab, wie man drauf ist, ob man lachen kann oder nicht. Manche Leute empfinden es als Drama pur, andere als Komödie. Ich finde schon, dass es eine Komödie ist. Aber ich habe das Drehbuch nicht auf Pointen hin geschrieben, mir ging es um eine bizarr-komische Poesie. SN: Im Zentrum der Handlung stehen Menschen mit sehr viel Geld, aber ohne Moral. Was hat Sie daran gereizt? Im Gegensatz zu „Braunschlag“hat man es hier mit intelligenten Menschen zu tun, die sehr schlagfertig sind. Ich will mich nicht mit Oscar Wilde vergleichen, aber es ist so ähnlich wie in einem Stück von ihm, wo alle Figuren wahnsinnig eloquent sind. Dass Reiche keine Moral haben und Eliten verkommen sind, ist nichts Neues. Ich wollte das aber einmal radikal durchdeklinieren – und zwar, dass alle so sind. Vielleicht ist man nach der letzten Folge froh, dass die Welt doch nicht so ist. SN: Was Themen wie Korruption betrifft, erinnert sie schon an unsere Welt. Und der Wiener Bürgermeister, den Herbert Föttinger spielt, trägt deutliche Züge von Michael Häupl. Die Serie ist das Sittenbild einer Gesellschaft und eine Familiensaga. Natürlich sind Korruption und Verkommenheit da ein Thema. Aber „Altes Geld“ist keine Politsatire. Es gibt Sachen, die an reale Gegebenheiten erinnern, aber nicht zu hundert Prozent. Häupl ist damit nicht gemeint. Und auch die Zeitungsmacher Falkner-Brüder sind nicht mit den Fellner-Brüdern gleichzusetzen. SN: Im Zentrum steht die Familie des Patriarchen Rauchensteiner. Ursprünglich sollte Gert Voss die Rolle spielen. Wie kamen Sie dann auf Udo Kier? Als Gert Voss gestorben ist, hätte man den nächstgroßen Namen fragen können. Ich fand es aber besser, sich völlig davon zu lösen und die Rolle sehr gegenteilig zu besetzen. Udo Kier ist der Antipode zu Gert Voss, die beiden stehen ästhetisch auf unterschiedlichen Polen der Schauspielkunst. Die Herausforderung war, nicht in jeder Szene den wahnsinnigen Udo-Kier-Moment zu suchen, sondern den Wahnsinn gut zu verteilen und zu dosieren. SN: Es gab Vorberichte, in denen von Schock und Skandal geschrieben wurde. Fürchten Sie eine verkürzte Rezeption? Die Serie ist wohlgemerkt FSK 12. Auf einmal heißt es, dass es eine Skandalserie ist, weil auch Themen wie Inzest vorkommen. Ich empfinde sie nicht als skandalös. Dass sich manche Leute vielleicht am Gezeigten stoßen, daran kann ich nichts ändern. Aber die Serie ist nicht gemacht worden, um zu provozieren.
Andere sagen: Schon wieder ein Schalko. Das österreichische Fernsehen agiert in all seinen Sparten wie ein Monopolist. So geht er auch mit den Fernsehmachern um, darum kommen oft die gleichen Namen zum Zug. Es hat aber auch damit zu tun, dass es erstaunlich wenig zuverlässige, kontinuierlich arbeitende Fernsehautoren in Österreich gibt. Es fehlen gute Autoren. SN: „Altes Geld“gibt es als Buch und ist gerade auf DVD erschienen. Und auch die Internetplattform Flimmit bietet die Serie an. Der ORF zeigt sie dagegen erst im Herbst. Warum? Zwischen der Fertigstellung einer Serie und der Ausstrahlung vergeht meist viel Zeit. Ich finde es schöner, sie fertigzustellen und in einem Aufwasch rauszubringen. Wir haben das bei „Braunschlag“schon gemacht, wobei es da eher passiert ist. Der Einschaltquote hat es nicht geschadet, im Gegenteil. Dass der ORF „Altes Geld“nutzt, um sein Flimmit-Portal zu bewerben, ist mir natürlich auch nicht Unrecht. SN: Bedeutet das einen Modernisierungsschub für das österreichische Fernsehen? Dass es immer mehr unterschiedliche Kanäle gibt, entspricht einfach dem modernen Fernsehverhalten. Manche Leute schauen Serien auf DVD, andere im Fernsehen, wieder andere wie ich schon nur mehr am Laptop.
„Ich finde, es ist eine Komödie.“
SN: Kritisiert wird, dass Gebührenzahler, die die Serie jetzt schon sehen wollen, doppelt zahlen müssen. Ich empfinde es als Aufwertung für eine Serie, wenn man dafür zahlen muss. Außerdem ist die Serie zu weniger als 50 Prozent vom ORF finanziert und gehört unserer Produktionsfirma Superfilm mehr als dem ORF. Übrigens werden Kinofilme ebenso über Gebühren finanziert. Da fragt niemand, warum er auch für die Eintrittskarte zahlt.