Der Mensch, der sich auf dünnes Eis begibt Von wegen Landschaftsromantik: Künstler zeigen, dass unberührte Natur rar geworden ist.
Sie war nie wirklich fort, aber jetzt ist sie plötzlich ganz massiv da: die Landschaft. Die österreichweiten Ausstellungen, bei der Landschaften eine Rolle spielen, signalisieren einen Trend zur Beschäftigung mit der Natur. Ein Megathema, das vom Zeitgeist genährt wird, oder das Ergebnis von kuratorischer Betriebsspionage?
Das Universalmuseum Joanneum hat jedenfalls die Landschaft zum Jahresthema auserkoren und präsentiert im Grazer Kunsthaus die Schau „Landschaft in Bewegung“, die mit dem dreiteiligen Projekt „Disputes Landscape“in der angrenzenden Camera Austria eine inhaltliche Ergänzung findet. Von Romantik und Idylle ist keine Spur: Zu sehen sind von Menschenhand bearbeitete, belastete, ausgebeutete und politisch konnotierte Landschaften. Durch zahlreiche Arbeiten zieht sich das Schlagwort Anthropozän, also das Zeitalter der vom Menschen massiv beeinflussten Erde. Eindrucksvoll sind in diesem Kontext die großformatigen Aufnahmen der US-Forschungsgemeinschaft Center for Land Use Interpretation (CLUI), die – aus der Vogelperspektive aufgenommen – den Raubbau der menschlichen Spezies im eigenen Lebensraum dokumentieren. Darren Almond wiederum thematisiert in seiner Videoinstallation die durch (über Jahrhunderte unberührte) Landschaft führende Eisenbahnlinie zwischen Xining in China und Lhasa in Tibet. Was von den Bauherren als „Himmelsstraße“tituliert wird, kann auch als Beihilfe zur Zerstörung der tibetischen Kultur gedeutet werden. Almonds Reise zwischen unterschiedlichen Ideologien und Kulturen ist als Bekenntnis zur Authentizität zu verstehen. „Landschaft in Bewegung“zeigt legendäre LandArt-Projekte (etwa von Robert Smithson) und urbane Vermessungsstrategien: „Every Building on the Sunset Strip“von Ed Ruscha. Klaus Schafler fügt sich mit seiner „Sandbank“in einen Reigen von Arbeiten ein, die allesamt an die Verantwortung des Menschen appellieren. In der Camera Austria erzählen die fotografierten Landschaften viel über Identitäten, gesellschaftliche Prozesse und historische Aufladungen. Nicole Six und Paul Petrisch etwa entführen in ein nicht mehr existierendes, unsichtbares Grenzgebiet, das sowohl von Serben, Kroaten, Slowenen und Österreichern beansprucht wurde. Waldstücke und andere Naturausschnitte werden so zu Sinnbildern für das Machtstreben sowie die Vergänglichkeit politischer Ordnungen.
Belege für die Existenz des Menschen sammelt Stephanie Kiwitt im Projekt „Wondelgemse Meersen“: Ein als Müllplatz genutztes Brachland wird von der Künstlerin immer wieder mit der Kamera aufgesucht. Diese Landschaft ist ruinös, kein Platz zum Leben: schon wieder eine Schattenseite der Zivilisation. Ausstellung: Landschaft in Bewegung,
Disputed Landscape,