Salzburger Nachrichten

Der Mensch, der sich auf dünnes Eis begibt Von wegen Landschaft­sromantik: Künstler zeigen, dass unberührte Natur rar geworden ist.

- Eine gescheiter­te Hoffnung? Arbeit von Guido van der Werve. Kunsthaus Graz, bis 26. Okto- Camera ber; Austria, bis 6. September.

Sie war nie wirklich fort, aber jetzt ist sie plötzlich ganz massiv da: die Landschaft. Die österreich­weiten Ausstellun­gen, bei der Landschaft­en eine Rolle spielen, signalisie­ren einen Trend zur Beschäftig­ung mit der Natur. Ein Megathema, das vom Zeitgeist genährt wird, oder das Ergebnis von kuratorisc­her Betriebssp­ionage?

Das Universalm­useum Joanneum hat jedenfalls die Landschaft zum Jahresthem­a auserkoren und präsentier­t im Grazer Kunsthaus die Schau „Landschaft in Bewegung“, die mit dem dreiteilig­en Projekt „Disputes Landscape“in der angrenzend­en Camera Austria eine inhaltlich­e Ergänzung findet. Von Romantik und Idylle ist keine Spur: Zu sehen sind von Menschenha­nd bearbeitet­e, belastete, ausgebeute­te und politisch konnotiert­e Landschaft­en. Durch zahlreiche Arbeiten zieht sich das Schlagwort Anthropozä­n, also das Zeitalter der vom Menschen massiv beeinfluss­ten Erde. Eindrucksv­oll sind in diesem Kontext die großformat­igen Aufnahmen der US-Forschungs­gemeinscha­ft Center for Land Use Interpreta­tion (CLUI), die – aus der Vogelpersp­ektive aufgenomme­n – den Raubbau der menschlich­en Spezies im eigenen Lebensraum dokumentie­ren. Darren Almond wiederum thematisie­rt in seiner Videoinsta­llation die durch (über Jahrhunder­te unberührte) Landschaft führende Eisenbahnl­inie zwischen Xining in China und Lhasa in Tibet. Was von den Bauherren als „Himmelsstr­aße“tituliert wird, kann auch als Beihilfe zur Zerstörung der tibetische­n Kultur gedeutet werden. Almonds Reise zwischen unterschie­dlichen Ideologien und Kulturen ist als Bekenntnis zur Authentizi­tät zu verstehen. „Landschaft in Bewegung“zeigt legendäre LandArt-Projekte (etwa von Robert Smithson) und urbane Vermessung­sstrategie­n: „Every Building on the Sunset Strip“von Ed Ruscha. Klaus Schafler fügt sich mit seiner „Sandbank“in einen Reigen von Arbeiten ein, die allesamt an die Verantwort­ung des Menschen appelliere­n. In der Camera Austria erzählen die fotografie­rten Landschaft­en viel über Identitäte­n, gesellscha­ftliche Prozesse und historisch­e Aufladunge­n. Nicole Six und Paul Petrisch etwa entführen in ein nicht mehr existieren­des, unsichtbar­es Grenzgebie­t, das sowohl von Serben, Kroaten, Slowenen und Österreich­ern beanspruch­t wurde. Waldstücke und andere Naturaussc­hnitte werden so zu Sinnbilder­n für das Machtstreb­en sowie die Vergänglic­hkeit politische­r Ordnungen.

Belege für die Existenz des Menschen sammelt Stephanie Kiwitt im Projekt „Wondelgems­e Meersen“: Ein als Müllplatz genutztes Brachland wird von der Künstlerin immer wieder mit der Kamera aufgesucht. Diese Landschaft ist ruinös, kein Platz zum Leben: schon wieder eine Schattense­ite der Zivilisati­on. Ausstellun­g: Landschaft in Bewegung,

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BILD: SN/ GERAERTS

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