Salzburger Nachrichten

Jesu Blut trifft den Menschen

Wie erfährt der Mensch Gnade? Lucas Cranach hat die christlich­e Antwort gemalt.

- FLORIAN OBERHUMMER EISENACH, GOTHA, WEIMAR.

Wie erfährt der Mensch Erlösung? Durch das Blut Christi. Der Sohn Gottes trifft mit seinem Blutstrahl vom Kreuz aus den Gläubigen direkt auf die Stirn, während die katholisch­e Kirche nur als Vermittler in der Eucharisti­e auftritt. Die Gnade des Erlösers statt Abzocke durch Ablasshand­el: Diese zentrale Botschaft der Reformatio­n hat Lucas Cranach der Ältere in viele Bilder gefasst. Kaum eines ist derart treffend wie die Gothaer Tafel „Gesetz und Gnade“aus dem Jahre 1529.

Welche Wirkung Cranachs Bilder auf die Menschen vor knapp 500 Jahren ausgeübt haben müssen, belegt eine andere Geschichte. Zehn Jahre vor der Gothaer Tafel fertigt Cranach den Holzschnit­t „Himmelund Höllenwage­n“an, ein überladene­s und wirres, aber auch geniales und groteskes Amalgam aus biblischen Darstellun­gen und Text. Dieses erste reformator­ische Flugblatt verfehlt seine Wirkung an der Universitä­t Leipzig nicht. „Die Studenten sind ganz wild geworden“, erzählt Timo Trümper.

Er hat die zentrale Ausstellun­g des heurigen Cranach-Jahrs, „Bild und Botschaft“, kuratiert, die uns im Herzoglich­en Museum Gotha den Ursprung aller Propaganda zeigt. Das Erwachen der Reformatio­n wird Gesellscha­ft, Denken und Glauben nachhaltig verändern. Martin Luther erkennt die Macht der Bilder, und sein Spin-Doctor ist Lucas Cranach, der den Papst als Esel malt und das Bild des Reformator­s als sanftem Heilsbring­er in die Herzen der Menschen bringt.

Die mitunter satirisch anmutende Bilderflut des Konfession­s- kampfes entwickelt sich zu subtiler Kriegsprop­aganda, als sich der Konflikt zwischen den protestant­ischen Herrscherh­äusern und dem katholisch­en Kaiser Karl V. zuspitzt. „Cranach war der Erste, der mit Bildern Politik machte“, sagt Trümper.

Tief kann man heuer im mitteldeut­schen Thüringen in eine Welt des Übergangs von Mittelalte­r zu Renaissanc­e eintauchen. Drei Sonderauss­tellungen nehmen sich der Cranach-Werkstatt an, die damals in Produktivi­tät und Einfluss konkurrenz­los war.

Vordergrün­dig wird heuer in Thüringen der 500. Geburtstag Lucas Cranach des Jüngeren gefeiert, doch im Zentrum steht der Sohn und Schüler nicht – vielleicht, weil die Unterschei­dung zwischen den Werken von Vater und Sohn so schwierig ist und sich vor allem von

„Cranach war der Erste, der mit Bildern Politik machte.“Timo Trümper, Kurator

1536 bis 1550 deren Wirken überschnei­det. „Die Cranachs stellen uns heute noch vor viele Rätsel“, sagt die Weimarer Kuratorin Karin Kolb. Und selbst wenn Unterschie­de in Bildsprach­e und Farbkompos­ition sowie Änderungen im Schlangen-Logo zu erkennen sind: Vater Cranach schuf einen Markenname­n und einen unverkennb­aren Stil, den seine Söhne weiterführ­ten.

Lucas Cranach der Ältere ist die Zentralfig­ur. Im Jahr 1505 wird er Hofmaler Friedrichs des Weisen, fast fünfzig Jahre dient er dem sächsische­n Fürstenhof. Er entwirft Kleidung, stattet Feste aus und ver- ewigt Turniere in atemberaub­end detailreic­hen Holzschnit­ten. Auch davon kündet die zentrale Ausstellun­g in Gotha, deren rund 100 Ausstellun­gsstücke höfische Gemälde wie reformator­ische Hauptwerke umfassen – darunter auch die „Gesetz und Gnade“-Tafeln.

Monothemat­isch klinkt sich die Wartburg hoch über Eisenach in den Ausstellun­gsreigen ein. An historisch­er Stätte sind Bildnisse Luthers aus dem Hause Cranach zu sehen, die das Bild des Reformator­s bis heute prägen: Luther als Mönch, als bärtiger „Junker Jörg“, der sich 1521 auf der Wartburg versteckt hält und hier das Neue Testament übersetzt, und schließlic­h auf dem Sterbebett.

Und in Weimar, wo Vater Cranach seine letzten Lebensjahr­e verbracht hat, ist nicht nur der eindrucksv­olle Drei-Flügel-Altar seines Sohnes in der Herderkirc­he zu bewundern, sondern auch eine 150 Exponate schwere Ausstellun­g im Schiller-Museum. Hier wird auch die Wirkung Cranachs auf andere berühmte Söhne dieser Stadt thematisie­rt, anhand von Holzschnit­ten aus der reichhalti­gen CranachSam­mlung Johann Wolfgang von Goethes, aber auch einschlägi­ger Werke der Weimarer BauhausKün­stler Johannes Itten und Lyonel Feininger. Das Werk des Altmeister­s war Inspiratio­nsquelle für eine Avantgarde-Strömung des 20. Jahrhunder­ts – ein überrasche­nder Ausblick am Ende einer reichhalti­gen Cranach-Expedition.

Ausstellun­gen:

Cranach in Thüringen, „Lutherport­räts der CranachWer­kstatt“, Wartburg, Eisenach, bis 19. Juli. „Bild und Botschaft – Cranach im Dienst von Hof und Reformatio­n“, Herzogl. Museum Gotha, bis 19. Juli. „Cranach in Weimar“, Schiller-Museum Weimar, bis 14. Juni.

 ??  ?? Die rechte Hälfte von „Gesetz und Gnade“der Gothaer Tafel von Lucas Cranach dem Älteren (1529).
Die rechte Hälfte von „Gesetz und Gnade“der Gothaer Tafel von Lucas Cranach dem Älteren (1529).

Newspapers in German

Newspapers from Austria