Wann wuchsen den Wikingern die Hörner?
Sie haben bis heute einen schlechten Ruf, die wilden Männer aus dem hohen Norden. Ein bisschen waren sie selbst dran schuld.
Die Realität war anders als bei „Wickie und die starken Männer“. Und dabei trugen sie nicht einmal Hörner auf ihren Helmen. Mit Gebrüll stürmten die wilden Gesellen waffenschwingend von der Küste hinauf zum Kloster auf der Insel Lindisfarne an der Nordküste Englands. Da half nur die Flucht, das Kloster wurde zerstört. Dieses Ereignis im Jahr 793 n. Chr. ist der erste schriftlich bezeugte Wikingerüberfall. Und dabei nannten sich die Nordländer nicht einmal Wikinger. Aber sie waren „auf viking“, also auf Raubzug oder Handelsreise, je nachdem. Dass man diese Menschen, die zwischen 750 und 1100 n. Chr. Skandinavien bevölkerten, „Wikinger“nennt, entstand erst in der Neuzeit. Und dass sich das Bild der „wilden“Kämpfer mit den Hörnern auf den Helmen so verfestigt hat, dass bis heute kein Hollywoodfilm ohne dieses Klischee auskommt, verdanken wir einem Komponisten. Richard Wagner, der seine Figuren rund um den „Ring des Nibelungen“der nordischen Mythologie entlehnte, war der Erste, der seinen Helden Hörner aufsetzte, Bilder von Opernaufführungen zeigen es. Und bei den LiveÜbertragungen aus der Metropolitan Opera New York von Wagners „Ring“-Tetralogie vor zwei Jahren konnte man sich darüber amüsieren, dass im Publikum soignierte Männer sich einen Spaß draus machten, Hörnerhelme zu tragen zum Smoking.
Schriftquellen gibt es wenige zu den Wikingern, die altnordischen Texte wurden erst viel später, nach der Christianisierung, verfasst. Dennoch wurden die Forscher fündig bei Ausgrabungen, etwa in den Zentren Birka oder Haithabu. Mit rund 500 Exponaten kommt man in der Schallaburg dem Phänomen Wikinger näher, erfährt viel über die Götterwelt, über das Leben unter harten Bedingungen und über die Abenteuerlust, welche die Wikinger bis nach Nordamerika trieb.
Wenn man dann so ein Wikingerschiff betrachtet, denkt man dabei lieber nicht an starken Seegang. Aber eben diese Beherrschung der Meerfahrt machte die Wikinger an den Küsten des Frankenreichs zu einer Dauerbedrohung, ähnlich, wie es die schlecht beleumundeten Ungarn dank ihrer Pferde im Osten waren. Das Ende der Wikingerzeit wird mit 1066 angegeben, als Wilhelm der Eroberer und seine Normannen die Macht in England an sich rissen.
Interessante Details erfährt man zum Stellenwert der Familie und da speziell zur Rolle der Frau in frühmittelalterlichen Dörfern. Dazu gehören natürlich reichlich Schmuckstücke und Grabbeigaben aristokratischer Damen. Auch den herumreisenden Völven wurde nachgesagt, sie könnten wie Göttin Freya – nach ihr wurde der „Freitag“benannt wie nach Gott Donar der „Donnerstag“– die Zukunft weissagen. Totenkult und Gräber – echte Helden wurden auf ihrem Sessel sitzend samt Schiff beerdigt – geben Auskunft über Götter und Religionen, aber auch über die Handwerkskunst.
Die gemeinsam mit dem Swedish History Museum Stockholm erarbeitete, dramatisch „inszenierte“Schau bietet vieles an Information, auch interaktiv. Da gibt es etwa eine Kleiderkammer, und an einem Touchscreen kann man sich jemanden aus einer Wikingerfamilie aussuchen zum Ankleiden. Wenn man dem (virtuellen) Mann, Tjörnborn heißt er, die falschen Kleidungsstücke anziehen will, regt er sich furchtbar auf. Sehr lustig.
Ausstellung: