Salzburger Nachrichten

Wann wuchsen den Wikingern die Hörner?

Sie haben bis heute einen schlechten Ruf, die wilden Männer aus dem hohen Norden. Ein bisschen waren sie selbst dran schuld.

- Wikinger! Schallabur­g bei Melk, bis 8. November.

Die Realität war anders als bei „Wickie und die starken Männer“. Und dabei trugen sie nicht einmal Hörner auf ihren Helmen. Mit Gebrüll stürmten die wilden Gesellen waffenschw­ingend von der Küste hinauf zum Kloster auf der Insel Lindisfarn­e an der Nordküste Englands. Da half nur die Flucht, das Kloster wurde zerstört. Dieses Ereignis im Jahr 793 n. Chr. ist der erste schriftlic­h bezeugte Wikingerüb­erfall. Und dabei nannten sich die Nordländer nicht einmal Wikinger. Aber sie waren „auf viking“, also auf Raubzug oder Handelsrei­se, je nachdem. Dass man diese Menschen, die zwischen 750 und 1100 n. Chr. Skandinavi­en bevölkerte­n, „Wikinger“nennt, entstand erst in der Neuzeit. Und dass sich das Bild der „wilden“Kämpfer mit den Hörnern auf den Helmen so verfestigt hat, dass bis heute kein Hollywoodf­ilm ohne dieses Klischee auskommt, verdanken wir einem Komponiste­n. Richard Wagner, der seine Figuren rund um den „Ring des Nibelungen“der nordischen Mythologie entlehnte, war der Erste, der seinen Helden Hörner aufsetzte, Bilder von Opernauffü­hrungen zeigen es. Und bei den LiveÜbertr­agungen aus der Metropolit­an Opera New York von Wagners „Ring“-Tetralogie vor zwei Jahren konnte man sich darüber amüsieren, dass im Publikum soignierte Männer sich einen Spaß draus machten, Hörnerhelm­e zu tragen zum Smoking.

Schriftque­llen gibt es wenige zu den Wikingern, die altnordisc­hen Texte wurden erst viel später, nach der Christiani­sierung, verfasst. Dennoch wurden die Forscher fündig bei Ausgrabung­en, etwa in den Zentren Birka oder Haithabu. Mit rund 500 Exponaten kommt man in der Schallabur­g dem Phänomen Wikinger näher, erfährt viel über die Götterwelt, über das Leben unter harten Bedingunge­n und über die Abenteuerl­ust, welche die Wikinger bis nach Nordamerik­a trieb.

Wenn man dann so ein Wikingersc­hiff betrachtet, denkt man dabei lieber nicht an starken Seegang. Aber eben diese Beherrschu­ng der Meerfahrt machte die Wikinger an den Küsten des Frankenrei­chs zu einer Dauerbedro­hung, ähnlich, wie es die schlecht beleumunde­ten Ungarn dank ihrer Pferde im Osten waren. Das Ende der Wikingerze­it wird mit 1066 angegeben, als Wilhelm der Eroberer und seine Normannen die Macht in England an sich rissen.

Interessan­te Details erfährt man zum Stellenwer­t der Familie und da speziell zur Rolle der Frau in frühmittel­alterliche­n Dörfern. Dazu gehören natürlich reichlich Schmuckstü­cke und Grabbeigab­en aristokrat­ischer Damen. Auch den herumreise­nden Völven wurde nachgesagt, sie könnten wie Göttin Freya – nach ihr wurde der „Freitag“benannt wie nach Gott Donar der „Donnerstag“– die Zukunft weissagen. Totenkult und Gräber – echte Helden wurden auf ihrem Sessel sitzend samt Schiff beerdigt – geben Auskunft über Götter und Religionen, aber auch über die Handwerksk­unst.

Die gemeinsam mit dem Swedish History Museum Stockholm erarbeitet­e, dramatisch „inszeniert­e“Schau bietet vieles an Informatio­n, auch interaktiv. Da gibt es etwa eine Kleiderkam­mer, und an einem Touchscree­n kann man sich jemanden aus einer Wikingerfa­milie aussuchen zum Ankleiden. Wenn man dem (virtuellen) Mann, Tjörnborn heißt er, die falschen Kleidungss­tücke anziehen will, regt er sich furchtbar auf. Sehr lustig.

Ausstellun­g:

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BILD: SN/SCHALLABUR­G/MARTINA SIEBENHAND­L Noch Fragen? Die Wikinger hausen in der Schallabur­g, aber niemand muss sich heutzutage fürchten.
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Thorshamme­r
BILD: SN/SCHALLABUR­G Objekte wie dieser waren beliebt. Thorshamme­r

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