Nervenkitzel mischt sich mit Entsetzen über das Sterben
Nach dem Unfalltod von Paul Walker ist „Fast & Furious 7“an der Kippe gestanden, kommt aber nun doch ins Kino.
Vielleicht ist es ein dummer Reflex, den letzten Auftritt eines jung gestorbenen Schauspielers in besonderem Licht zu sehen. Ist die empfundene Lebensmüdigkeit im grauen Gesicht von Philip Seymour Hoffman im Kinofilm „A Most Wanted Man“zu lesen oder im jenseitigen Irrsinn im Lachen von Heath Ledger als Joker in „The Dark Knight“zu hören? Wie sehen wir Brandon Lee in der todessehnsüchtigen Comicverfilmung „The Crow“aus den Neunzigerjahren, der während dieser Dreharbeiten irrtümlich erschossen wurde?
Wahrscheinlich hat dieser Reflex eine Berechtigung. Denn Kino passiert ja nicht auf der Leinwand, sondern im Kopf der Zuschauer und bekommt durch einen Todesfall beim Betrachter eine andere Qualität. Der tödliche Autounfall von Paul Walker, Star von „Fast & Furious 7“(seit gestern, Donnerstag, im Kino), jedenfalls hat diesen Film verändert. Paul Walker war ein wiederkehren- der Protagonist der „Fast & Furious“-Autorennfilme. Diese sind eine Seifenoper für Autobegeisterte und zugleich ein Porno für Motorfanatiker, wobei die Handlung nur die Ausrede für immer heftigere Höhepunkte ist. Hubraum und Reifenabrieb sind die Gradmesser für eine todesverachtende Lust an der Geschwindigkeit.
In den meisten dieser Filme ist Paul Walker Hauptdarsteller gewe- sen. Als er 2013 während der Dreharbeiten zu „Fast & Furious 7“stirbt, im Wrack des Porsche eines Freundes, sind noch nicht alle seine Szenen gedreht. Walkers Tod macht plötzlich die Sterblichkeit fassbar, das Prickeln in der Magengrube bei 170 km/h wird zur Angst. Sofort stoppt das Studio die Dreharbeiten.
Nun kommt der Film doch ins Kino, denn Paul Walkers Brüder und zwei weitere Bodydoubles haben ihn in den fehlenden Aufnahmen ergänzt. Und „Fast & Furious 7“ist ein atemberaubendes Spektakel geworden, das mit unverhohlener Freude ein weiteres Mal Schnelligkeit, Machbarkeit und Freundschaft feiert.
Brian O’Conner (Walker) lebt mit seiner Frau (Jordana Brewster) und seinem kleinen Sohn ein beschauliches Familiendasein, mit Minivan statt aufgemotztem Rennschlitten. Doch die Vergangenheit ruht nicht, in Gestalt des fiesen Deckard Shaw (Jason Statham), der hinter Brian, seinem Schwager Dom und dessen Renncrew her ist. Ein Überwachungsprogramm namens „God’s Eye“spielt eine Rolle, ein mächtiger Hacker, ein geheimnisvoller Regierungsbeamter namens Mr. Nobody, und auch der CIA-Agent Luke Hobbs hat einen Auftritt als gutmütige Actionfigur. Und es gibt einen Superschurken, der die Welt kontrollieren will. Interessante Fußnote: Von elf Protagonisten sind nur fünf weiß, eine ungewöhnliche Quote für einen Blockbuster.
Aber eigentlich geht es um AutoStunts. „Fast & Furious“ist dort daheim, wo das Kino seine Wurzeln hat: in der Schaulust am Menschenund technisch Möglichen. Da sind Sprünge mit dem Ferrari von Wolkenkratzer zu Wolkenkratzer in Abu Dhabi ebenso zu bestaunen wie der freie Fall aus einem Frachtflugzeug in Aserbaidschan und ein etwas langwieriger Showdown in Los Angeles. Der malaiische Regisseur James Wan türmt Schauwerte aufeinander, als gäbe es kein Morgen. Am Ende lässt er große Gefühle zu: „Fast & Furious 7“verabschiedet Paul Walker auf eine würdige Weise, die noch den härtesten Benzinbruder zum Weinen bringt. Das Entsetzen über die Sterblichkeit findet Trost in der Freundschaft. Und der nächste „Fast & Furious“-Film steht bereits an der Startlinie.
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