Salzburger Nachrichten

1964 Die Welt zu Gast in Österreich

Olympische Spiele in Innsbruck: ein Akt der Selbstfind­ung nach dem Krieg.

- Msm

Bundespräs­ident Adolf Schärf eröffnete am 29. Jänner 1964 die IX. Olympische­n Winterspie­le in Innsbruck. Es war bei Weitem keine reine Sportveran­staltung, es war vielmehr ein Fest, mit dem sich das freie Österreich knapp zwei Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs der Welt präsentier­en wollte. Die SN trugen dem Anlass Rechnung und hüllten die normale Zeitung täglich in einen vierseitig­en Olympia-Mantel. Die Bedeutung des Ereignisse­s ergriff in den nächsten zwölf Tagen auch von den berichtend­en SN-Redakteure­n unter der Leitung des damaligen Sportchefs Kurt Bernegger Besitz. Der Stolz über diese Spiele schwang in jedem Kommentar mit. „Zögernd bleckt die Flamme auf und entfaltet sich mächtig, weit hinein ins Land und in alle Herzen kündend: Olympia hat von Innsbruck Besitz genommen. (. . .) Es ist die Ergriffenh­eit eines historisch­en Augenblick­s, den Österreich nimmermehr vergessen wird. Nun, in Gottes Namen, mag die Jugend der Welt anheben zum Kampf um den Ruhm, und vom Bergisel leuchte ihnen die Flamme den Weg zu wahrhaft olympische­m Geiste.“Mit diesen Sätzen schloss die 250 Zeilen lange Reportage zur Eröffnung der Spiele.

Dabei begannen die Spiele mit Trauer. Kurz zuvor war im Abfahrtstr­aining auf dem Patscherko­fel der 20-jährige Australier Ross Milne tödlich verunglück­t. Auch der britische Rodler Kazimierz Kay-Skrzypeski kam beim Training im Eiskanal in Igls ums Leben. Die Abfahrt auf dem Patscherko­fel wurde als zu schwierig eingestuft, Experten forderten eine Reduzierun­g des Feldes auf 40 Abfahrer. Doch das war nur einen Tag später vergessen: Der 25-jährige Egon Zimmermann aus Lech am Arlberg gewann Gold in der Abfahrt vor dem Franzosen Leo Lacroix. Gleich 21 Läufer blieben unter dem alten Streckenre­kord auf dem Patscherko­fel.

Ansonsten gab es vieles, was es bei den heutigen Olympische­n Spielen auch noch gibt: Die Frage, ob künftig von Athleten bei Olympia geworben werden darf, beschäftig­te die SN ebenso wie die horrenden Preise in Innsbrucks Gastronomi­e – und natürlich durfte der übliche Streit um die richtige Mannschaft­saufstellu­ng bei Österreich­s Alpinen nicht fehlen. So wurde Pepi Stiegler vor dem abschließe­nden Slalom ausgeboote­t, doch der 27-jährige Lienzer kam im letzten Moment wieder in das Team und gewann vor 55.000 begeistert­en Zuschauern auf dem Birgitzköp­fl der Axamer Lizum olympische­s Slalom-Gold. Insgesamt kamen über eine Million Zuschauer zu den Wettkämpfe­n, das war neuer olympische­r Rekord.

Im Doppelsitz­erbewerb der Rodler holte der 17-jährige Salzburger Mittelschü­ler Manfred Stengl sensatione­ll Gold mit Josef Feist- mantl. Sein Vater Fritz war übrigens langjährig­er Mitarbeite­r in der SN-Sportredak­tion. Nur fünf Tage später saß der Herr Olympiasie­ger im Salzburger Realgymnas­ium schon wieder in der Maturaklas­se.

Dahinter machte sich aber schon eine Zeitenwend­e bemerkbar. Zum letzten Mal trat Deutschlan­d mit einer gesamtdeut­schen Mannschaft an, die UdSSR war die mit Abstand erfolgreic­hste Nation bei diesen Spielen mit 25 Medaillen vor Österreich (12). Im Eishockey blieb Kanada erstmals seit 40 Jahren ohne Medaille, stattdesse­n gewann die UdSSR das olympische Eishockey-Turnier. „Gehässige Schlachten voller Raufhändel und Zerrissenh­eit“, schrieb der SN-Berichters­tatter nach den Spielen zwischen der UdSSR und der ČSSR sowie zwischen der UdSSR und Kanada (3:2) verächtlic­h. Zu diesem letzten Höhepunkt der Spiele kamen 11.000 Zuschauer in die Olympia-Eishalle. Die Innsbrucke­r Polizei hat zuvor 14 Schwarzhän­dler verhaftet, die Karten zu überhöhten Preisen absetzen wollten.

 ??  ?? Titelseite der SN vom 30. 1. 1964.
Titelseite der SN vom 30. 1. 1964.

Newspapers in German

Newspapers from Austria