Salzburger Nachrichten

Der Sinn der Ratschen

Am heutigen Karfreitag ersetzen Ratschen die – nach Rom geflogenen – Kirchenglo­cken. Was hinter diesem Osterbrauc­h steckt.

- Ws

Nach dem Gloria bei der Messe am Gründonner­stagabend sind die Kirchenglo­cken überall im Land verstummt. Der Legende nach „flogen sie zur Erinnerung an das Leiden Christi nach Rom“. Ersetzt werden die Glocken nun von den „Ratschen“, „Rumpelkast­en“(Kastenrats­chen) oder „Holzklöppe­ln“(mancherort­s auch „Glaggln“genannt). Die Bräuche sind in den einzelnen Orten etwas unterschie­dlich. In St. Martin bei Lofer etwa kommen eine weithin hörbare „Kastenrats­che“, untergebra­cht im Kirchturm, und zwei „Holzklöppe­l“während der Gottesdien­ste zum Einsatz. Bedient werden sie von den Ministrant­en und Ministrant­innen wie den beiden Schwestern Lea und Anita: „Für uns ist das schon was Besonderes, wenn wir die Kirchenglo­cken ersetzen, und wir haben uns sehr darauf gefreut.“

Die Deutung und Symbolik dieser hölzernen Klappern ist vielfältig. Man wolle damit die Demut Christi vor dem Willen seines himmlische­n Vaters versinnbil­dlichen, heißt es. Das Klappern an den Kartagen (ahd. Kara = Sorge, Kummer; englisch: care) kann aber auch als Spott auf den Verräter Judas gedeutet werden. Im 19. Jahrhunder­t sollen Burschen hinter Missliebig­en hergeklapp­ert haben, um sie „anzustänke­rn“, und riefen dazu: „Traust dö? Gfrier!“, um eine Rauferei zu provoziere­n.

Das Karwochenr­atschen in seiner heute noch bekannten Form geht auf die Gegenrefor­mationszei­t zurück. Der älteste Beleg für „Ratschen“in unserem Raum stammt aus Laufen. Dort gestattete­n die Jesuiten ihren Schülern, nach den Pumpermett­en (den Trauermess­en der Karwoche) am Gründonner­stag und Karfreitag mit Rumpelfäss­ern und Lärminstru­menten im Dorf den Verrat des Judas kundzutun und den Aufruhr der Elemente beim Tode Jesu nachzuvoll­ziehen. In diese Pumpermett­en hatte das Ratschen und Klappern bereits ab dem dritten Jahrhunder­t Einzug gehalten. Es wurde als Zeichen der Klage aus den jüdischen Purimfeier­n übernommen.

Nach dem Gloria in der Osternacht­smesse am Karsamstag schweigen die Ratschen wieder und die zurückgeke­hrten Glocken verkünden die Frohbotsch­aft der Auferstehu­ng Jesu.

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BILD: SN/WALTER SCHWEINÖST­ER Lena und Anita aus St. Martin bei Lofer mit den Ratschen vor der Kirche.

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