Tsipras geht fremd
Manch einer meint, ein Seitensprung belebe die Beziehung. Manch einer flog deswegen aber auch hochkant raus.
In Moskau bandelt Alexis Tsipras mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin an. Medienwirksam – und obwohl der griechische Premier schon vergeben ist, wenn man so will. Okay, die Partnerschaft mit Brüssel war in letzter Zeit wenig harmonisch. Er fühle sich bevormundet, hörte man Tsipras des Öfteren sagen. Sie müsse ständig zahlen, jammerte die EU. Die Luft war irgendwie draußen.
Also frohlockt Tsipras vom „Frühling“im griechisch-russischen Verhältnis und versteht es, Putin zu umgarnen. Er trägt dick auf, denn die Zeit drängt. Für die heute beim Internationalen Währungsfonds fälligen 450 Millionen Euro kommt der Besuch bei Putin ohnehin zu spät. Aber weitere Rechnungen sind offen.
Er sei mit den EU-Sanktionen gegen Russland nicht einverstanden, erklärt Tsipras in Moskau und legt nach: „Ich denke, das ist ein Weg, der ins Nichts führt.“Wenn das nicht runtergeht wie griechischer Honig. Und Tsipras’ Spiel geht auf: Die EU beobachtet das Fremdgehen ihres Partners mit Argwohn, zornig bisweilen, in jedem Fall alarmiert. „Vor einer Annäherung würde ich dringend warnen“, sagt etwa Österreichs Finanzminister Hans Jörg Schelling.
Der russische Bär dagegen fühlt sich geschmeichelt, der Honig schmeckt. Im Gegenzug für Griechenlands kritische Stimme gegen die EU-Sanktionen bietet Putin eine Wiederbelebung des Handels mit Athen. Russland lag im vergangenen Jahr in der Liste der Abnehmerländer für griechische Waren auf Platz 21. Das war schon einmal besser. Vor dem Embargo lieferten die griechischen Landwirte rund die Hälfte ihrer Erdbeer-Exporte und jeweils ein Viertel ihrer Pfirsich- und Kiwi-Ausfuhren nach Russland. Doch es geht um mehr als um Obst und Rabatte für russische Gaslieferungen. Der griechisch-russische Flirt könnte zum Prüfstein für Griechenlands Zugehörigkeit zur EU werden. Wenn Putin den griechischen Premier überreden kann, bei der im Sommer fälligen Verlängerung der EU-Sanktionen gegen Russland sein Veto einzulegen, wäre es dem Kremlchef gelungen, die EU aus-einanderzudividieren.
Belebend für das Verhältnis zur EU ist Tsipras’ Vorgehen nicht – eher trotzig und unüberlegt. Manch einer flog nach einem Seitensprung nämlich hochkant raus. Dann bleibt die Umarmung der neuen Braut. Und schöner ist die nicht.