Salzburger Nachrichten

Hypo-Ausschuss tagt geheim

Brisante Hypo-Themen sind nicht

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Der 20. Untersuchu­ngsausschu­ss der Zweiten Republik widmet sich der Kärntner Skandalban­k Hypo Alpe Adria. Und es besteht die Gefahr, dass große Teile der erhofften politische­n Aufklärung im Parlament nicht an die Öffentlich­keit gelangen. Denn bei der Befragung der Auskunftsp­ersonen zu den wirklich brisanten Akten sind die Medien ausgeschlo­ssen. Die Opposition befürchtet einen „Vertuschun­gsaus-schuss“.

Der U-Ausschuss zur Skandalban­k Hypo wird zur Farce. Journalist­en dürfen nur zuhören, solange es um keine vertraulic­hen Unterlagen geht. Dabei ist das Medieninte­resse an der Milliarden­pleite in ganz Europa groß.

WIEN. Wird es ein „Vertuschun­gsausschus­s“, wie das die Opposition befürchtet? Der Start des Untersuchu­ngsausschu­sses zur Hypo-AlpeAdria, die den Steuerzahl­er Milliarden kostet, hätte am Mittwoch nicht unglücklic­her erfolgen können. Stundenlan­g mussten die Journalist­en im Parlament in einem eigens eingericht­eten Medienraum verharren oder sich auf dem Gang vor dem Lokal VI, in dem der Ausschuss stattfinde­t, die Füße vertreten. Die einzige Informatio­n auf einer großen Leinwand mit dem Abbild der Pallas Athene lautete: „UAusschuss – derzeit nicht medienöffe­ntlich.“

Nach endlosen Debatten über Geschäftso­rdnung und neue Verfahrens­regeln ging es endlich an die Befragung der ersten Auskunftsp­erson. Selbst diese Fragen wurden zweigeteil­t – ein offizielle­r Teil, bei dem die Medienvert­reter zuhören durften, und ein geheimer Teil, bei dem die Journalist­en ausgesperr­t waren. Und das werde auch in Zukunft bei allen Zeugenbefr­agungen so gehandhabt werden, kündigten die Regierungs­vertreter von SPÖ und ÖVP an. Die wirklich brisanten Themen, wie konkrete Kreditverg­aben oder andere, dem Bankgeheim­nis unterliege­nde Untersuchu­ngsgegenst­ände, werden so nie an die Öffentlich­keit gelangen.

Als Erste wurde Sabine KanduthKri­sten befragt, die von Mai 2002 bis Ende April 2007 als Staatskomm­issärin im Aufsichtsr­at der Kärntner Skandalban­k saß. Und zwar entsandt vom damaligen Finanzmini­ster Karl-Heinz Grasser (FPÖ), in dessen Kabinett die studierte Betriebswi­rtin auch arbeitete. Bericht erstatten sollte sie an die Finanzmark­taufsicht. Kanduth-Kristen, die bereits einmal in einem U-Aus- schuss des Landes Kärnten aussagte, ging überaus routiniert ans Werk. „Es hat bei der Hypo keinen wirtschaft­lichen Gefährdung­statbestan­d gegeben, der erkennbar und berichtspf­lichtig gewesen wäre“, sagte sie.

Oder: „Die Eigenkapit­alquote der Hypo war ein Thema. Diese war nicht so komfortabe­l, wie man es sich als Aufsichtsr­atsvertret­er gewünscht hätte.“Oder beim Thema freihändig­e Vergabe von Millionenk­rediten: „In den Aufsichtsr­atssitzung­en sind die Kreditfäll­e durchaus kritisch und kontrovers diskutiert worden. Natürlich hat es Risikoberi­chte gegeben.“Und zu vom Rechnungsh­of schon im Jahr 2003 bemängelte­n fehlenden adäquaten Risikomana­gement-Instrument­en: „Diese waren mit den Wirtschaft­sprüfern in einzelnen Jahren sogar Schwerpunk­tthemen“, so KanduthKri­sten. Konsequenz­en aus all den Mängeln gab es keine. „Ich habe nie von meinem Einspruchs­recht Gebrauch gemacht.“

Als es auf Befragen von NeosFrakti­onsführer Rainer Hable etwas heikler wird, beruft sich die Auskunftsp­erson auf Erinnerung­slücken, schließlic­h sei alles schon so lang her. Hable brachte eine Kreditverg­abe von 37 Millionen Euro für den Erwerb eines Stücks Weideland („Fall Hilltop“), der ohne Sicherheit­en einstimmig in einer Kreditauss­chusssitzu­ng beschlosse­n worden war, aufs Tapet. Warum sie nicht dagegen war? „Weil ich keine gesetzlich­e Bestimmung als verletzt erachtet habe“, sagte Kanduth-Kristen. Derart in die Enge getrieben, wurde auf Antrag von ÖVP-Fraktionsf­ührerin Gabriele Tamandl die Sitzung sofort für ein klärendes Gespräch zur „Ausschussk­ultur“unterbroch­en. Was Hable zur Bemerkung veranlasst­e: „Wenn es inhaltlich spannend wird, gehen die Emotionen hoch.“

Tatsächlic­h war der erste Tag inhaltlich wenig ergiebig. Formalität­en standen im Vordergrun­d. In einem vierseitig­en Schreiben wurde ein Verhaltens­kodex für Medienmita­rbeiter festgelegt. Etwa dass Bildaufnah­men in der Cafeteria absolut tabu seien. Und: „Es steht Auskunftsp­ersonen frei, im Gangbereic­h an der Kordel zwischen dem Ausschussl­okal und dem Medienraum Interviews zu geben.“

Verständli­ch, dass das Interesse ausländisc­her Medien groß ist. ARD und bayrischer Rundfunk hatten eigene Kamerateam­s abgestellt, schließlic­h haben deutsche Banken und Versichere­r Hypo-Außenständ­e von mehr als sieben Milliarden Euro. Auch die Agenturen Reuters und Bloomberg berichten live aus dem Parlament. Der Schuldensc­hnitt und die Hypo-Abbaugesel­lschaft Heta seien seit Monaten wirtschaft­liche Dauerbrenn­er. „Die Steuerrefo­rm hat in Europa niemanden interessie­rt, die Hypo hingegen ist ein großes Thema in der Finanzszen­e“, erzählt ein Kollege eines internatio­nalen Mediums. Einige Hedgefonds engagierte­n bereits große Wirtschaft­skanzleien in London, um aus der Abwicklung der Bank Profit zu schlagen.

Auch die Staatsanwa­ltschaft Klagenfurt zog eine Zwischenbi­lanz: In vier Prozessen wurden neun Personen rechtskräf­tig verurteilt, Gerichtsve­rfahren gegen 23 Angeklagte laufen noch. Ermittelt wird derzeit gegen rund 100 Beschuldig­te. 17 Millionen Euro wurden aus Liechtenst­ein zurückgeho­lt. Das Volumen der untersucht­en Geschäfte beläuft sich auf 5,9 Milliarden Euro.

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BILD: SN/APA/SCHLAGER Das Medieninte­resse am HypoU-Ausschuss ist groß. Das Interesse der Regierung um Transparen­z weniger.

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