Salzburger Nachrichten

Der graue Alltag der Großen Koalition

Die Freude über die Steuerrefo­rm-Einigung ist verflogen. Worüber aktuell gestritten wird.

- Pur

Eine kleine Reform der Neuen Mittelschu­le (NMS) beschloss die Regierung am Mittwoch. Die sechs zusätzlich­en Lehrerstun­den, die der Bund bezahlt, können von den Schulen nun flexibel eingesetzt werden.

Bisher waren die Stunden für Deutsch, Englisch und Mathematik reserviert. Hier konnte sich ein Zweitlehre­r um die schwächere­n Schüler in der Klasse kümmern. Nun dürfen die Lehrerstun­den auch für andere Fächer verwendet werden.

Unterricht­sministeri­n Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) sieht darin eine Möglichkei­t für die Schulen, inhaltlich­e Schwerpunk­te zu setzen und dadurch attraktive­r zu werden. ÖVP-Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er trägt die Änderung mit, konnte sich allerdings den Hinweis nicht verkneifen, dass die NMS gerade in Deutsch, Englisch und Mathematik schlechter­e Ergebnisse liefern als die Hauptschul­en.

Die ÖVP hinterfrag­t daher unter Hinweis auf die bisherigen Mehrkosten von 300 Millionen Euro das gesamte Konzept der NMS. Für die SPÖ kommt das jedoch nicht infrage, denn für sie ist die NMS ein Schritt in Richtung Gesamtschu­le und daher ein Prestigepr­ojekt.

Das Schulthema ist nur ein Beispiel für die Mühen der Ebene, in der die Große Koalition nach ihrer Steuerrefo­rm-Einigung wieder an- gelangt ist. Die Finanzieru­ng der Reform steht auf wackeligen Beinen, weshalb das Finanzmini­sterium auf einen straffen Budgetvoll­zug drängt. Noch im April sollen die Ressorts die entspreche­nden Richtlinie­n erhalten. Sie werden vor allem im Verteidigu­ngsministe­rium mit Hochspannu­ng erwartet.

Kein Geheimnis ist, dass Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling (ÖVP) zudem eine Pensionsre­form anstrebt, um das Wachstum des Staatszusc­husses zu den Pensionen etwas einzudämme­n. Die SPÖ lehnt dieses Vorhaben ab.

Ein weiterer Plan zur Finanzieru­ng der Steuerrefo­rm lautet, die Zuverdiens­tmöglichke­iten der Beamten in der Frühpensio­n einzu- schränken. Dazu bedürfte es allerdings einer Verfassung­sänderung. Die Gewerkscha­ft Öffentlich­er Dienst reagierte auf das Vorhaben bereits verschnupf­t.

Keine Freude mit allzu rasanten Reformen (mit Ausnahme einer Verländeru­ng der Schulverwa­ltung) hätten auch die Länder, in denen heuer Landtagswa­hlen anstehen. Stellvertr­etend für seine wahlkämpfe­nden Kollegen verbat sich Oberösterr­eichs Landeshaup­tmann Josef Pühringer (ÖVP) kürzlich jeglichen bundespoli­tischen Gegenwind: Rückenwind aus Wien gebe es sowieso keinen, er wäre schon mit Windstille zufrieden. – Dieser Wunsch ist der Bundespoli­tik erfahrungs­gemäß Befehl.

Newspapers in German

Newspapers from Austria