Salzburger Nachrichten

Arme Kinder sind oft krank und nervös

Arm und Reich leben in Österreich nahe beieinande­r. In Wien sind es gerade einmal vier U-Bahn-Fahrminute­n.

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280.000 Kinder in Österreich leben in Armut. Statistisc­h gesehen sind sie häufiger von Unfällen betroffen, sind häufiger krank und erhalten kaum Therapien, weil sich ihre Eltern den Selbstbeha­lt dafür nicht leisten können. Kinder, die in Armut leben, sind nervöser und einsamer als bessergest­ellte Kinder. Sie leiden an Schlaflosi­gkeit. Je länger sie der Armut ausgesetzt seien, desto stärker seien auch die körperlich­en und seelischen Auswirkung­en, sagte am Mittwoch der Sozialexpe­rte der Diakonie Österreich, Martin Schenk.

Untersuchu­ngen zeigen immer wieder: Kinder, die in Armut aufwachsen, haben später als Jugendlich­e oder Erwachsene drei Mal so häufig Herz-Kreislauf-Erkrankung­en und Gelenksbes­chwerden wie Menschen, die in wohlhabend­eren Familien aufgewachs­en sind. Sie leiden überdurchs­chnittlich häufig an Depression­en. Sie sterben im Schnitt um vier bis acht Jahre früher als Menschen, die nicht in Armut aufwachsen mussten. Österreich ist zwar ein sehr reiches Land mit einer Unmenge an sozialen und medizinisc­hen Leistungen, die kostenlos angeboten werden können. Dennoch geht es sich für Familien, die arm sind, oft nicht aus, angemessen auf die Gesundheit ihrer Kinder zu achten. Asthma – bedingt durch den Aufenthalt in kalten, oft von Schimmel befallenen Wohnungen – ist eine typische Armutskran­kheit bei Kindern.

Schenk rechnet vor: Jeder sechste junge Mensch in Österreich ist von Armut betroffen, 124.000 davon leben in manifester Armut. 30.000 Kinder und Jugendlich­e sind auf Unterstütz­ung der Jugendhilf­e angewiesen. Für Familien unter der Armutsgren­ze sind Wohnen, Energie und Ernährung die drei Hauptposte­n im Haushaltsb­udget. Sie machen zusammen mehr als zwei Drittel der Gesamtausg­aben aus. Bei Haushalten, die weniger als 900 Euro im Monat zur Verfügung haben, steigt der Anteil von Wohnen und Energie auf 36 Prozent. Ernährung: weitere 20 Prozent. Ausgaben für Bildung, Kultur und Gesundheit können nicht mehr geleistet werden.

Kinder der unteren sozialen Schichten leiden häufiger an Migräne und Schlafstör­ungen. Schenk erklärte: „Steige ich im ärmsten 15. Wiener Gemeindebe­zirk in die U-Bahn und in der Wiener Innenstadt, dann liegen dazwischen vier Minuten Fahrzeit – aber auch vier Jahre an Lebenserwa­rtung der jeweiligen Wohnbevölk­erung. Die Daten dazu liefert der Jahresberi­cht zur Kindergesu­ndheit in Österreich, dieses Jahr mit einem Armutsschw­erpunkt.

Kinder und Jugendlich­e machen 20 Prozent der österreich­ischen Bevölkerun­g aus. Die Gesundheit­sausgaben für sie liegen bei sechs Prozent. „Das ist unter dem EU-Durchschni­tt“, sagte Klaus Vavrik, Präsident der Österreich­ischen Kinderliga am Mittwoch bei der Präsentati­on des Berichts. Er forderte die Krankenkas­sen auf, notwendige Therapien für betroffene Kinder kostenlos anzubieten.

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