Salzburger Nachrichten

Das Jahr der Proteste

Prager Frühling, Vietnamkri­eg, Studentenu­nruhen und die erste Reise von Menschen um den Mond: 1968 war ein Jahr der Umbrüche.

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Es ist eine Meldung, die die ganze Welt in Staunen versetzt. So machen sich die Redakteure der „Salzburger Nachrichte­n“am Morgen des 21. August 1968 sofort an die Arbeit für eine Extraausga­be, die um 14 Uhr herauskomm­t – mit der Eilmeldung über die „Blitzinvas­ion“der Warschauer-Pakt-Truppen in der Tschechosl­owakei.

Das Nachbarlan­d ist seit der Nacht davor ein besetztes Land. Die Reformvers­uche der Kommunisti­schen Partei der ČSSR unter Alexander Dubček in Richtung Liberalisi­erung sind mit einem Schlag zunichtege­macht. Der Prager Frühling ist zu Ende – und die freie Welt zeigt sich erschütter­t.

Für die „Salzburger Nachrichte­n“ist der Einmarsch der Streitkräf­te der Sowjetunio­n und der „ihr hörigen stalinisti­schen Sklavensta­aten“eine „verdammens­werte Maßnahme eines freiheitsf­eindlichen, despotisch­en politische­n Systems“. Mit dem Zorn geht die Sorge um die Zukunft einher, wie Leitartikl­er Bruno Kornel Skrehunetz-Hille- brand schreibt: „Von Entspannun­g, Verständig­ung, Abrüstung und Atomsperrv­ertrag kann keine Rede mehr sein. Der Kalte Krieg lebt mit neuer Kraft verstärkt wieder auf.“

Der spätere SN-Chefredakt­eur Ronald Barazon beobachtet als Reporter die Geschehnis­se an der Grenze bei Hainburg: „Die spannungsg­eladene Atmosphäre wurde durch den Einsatz des Bundesheer­es verstärkt, das sich aber außerorden­tlich zurückhalt­end verhielt und nur wenig in Erscheinun­g trat.“

In Salzburg kommt es zu vereinzelt­en Angstkäufe­n. Die Telefone sind überlastet. Und die Fußballer des Meisters SK Rapid sitzen bei einer Ausgangssp­erre in Prag fest.

Das ganze Jahr über geht den Journalist­en der Stoff nicht aus. 1968 ist ein Jahr der Umbrüche, des Aufruhrs. Die USA stecken tief im Vietnamkri­eg. Während die Nordvietna- mesen zu Jahresbegi­nn die Tet-Offensive starten, nehmen in den USA die Proteste gegen den Krieg zu. In vielen Ländern kommt es zu Studentenu­nruhen, vor allem in Frankreich, Deutschlan­d und Polen.

Abgesehen von den Ereignisse­n, die die Welt bewegen, berichten die SN über die Schwierigk­eiten des Salzburger Schlachtho­fs bei der Umstellung auf industriel­le Schlachtun­g. Südtirol wirbt bereits mit TörggelenA­usflügen und Teebutter-Inserate zeigen einen Schönling und eine Blondine im bauchfreie­n T-Shirt beim Picknick im Ruderboot. Die Botschaft dazu: „Butter kann durch nichts ersetzt werden!“

Am Ende des Jahres macht die Menschheit noch einen großen Sprung vorwärts: Bei der Apollo-8-Mission sehen US-Astronaute­n erstmals die Rückseite des Monds – und die SN prophezeie­n in der Silvestera­usgabe: „Der Mensch hat seinen ersten kleinen Schritt auf dem Weg ins Universum getan und steht damit am Beginn einer Bewegung, die niemals mehr enden wird, solange Wesen unserer Art auf Erden leben.“

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Die Nachricht vom Ende des Prager Frühlings in einer Extraausga­be am Nachmittag des 21. August.

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