Salzburger Nachrichten

Nach einem Jahrzehnt Formel 1 ist Red Bull Racing ohne Alternativ­e

Dietrich Mateschitz blickt mit den SN zurück auf den Formel-1-Einstieg und nach vorn: Trotz aktueller Probleme bleiben die Saisonziel­e weiter hochgestec­kt.

- Dietrich Mateschitz (r.) und Teamchef Christian Horner haben heuer viel zu diskutiere­n. DEN ZWEITEN TEIL DES SN-GESPRÄCHS MIT DIETRICH MATESCHITZ LESEN SIE MORGEN, FREITAG. THEMA: FUSSBALL

Dietrich Mateschitz macht sich nicht viel aus Statistike­n. Darum fällt sein Rückblick auf 20 Jahre Formel 1, die mit dem Einstieg bei Sauber 1995 begannen, und zehn Jahre mit dem eigenen Team Red Bull Racing nüchtern und wenig emotionell aus. Die Fakten: Die zehn Jahre mit Sauber brachten sechs dritte Ränge und den vierten WM-Platz (2001) als beste Ergebnisse, mit Red Bull Racing stehen bisher 37 Siege und je vier WM-Titel der Fahrer und Konstrukte­ure zu Buche.

Als sich seit 2001 das Verhältnis zu Peter Sauber langsam, aber ständig abkühlte, wuchsen die Gedankensp­iele mit einem eigenen Team. Und da Ford das teure und unprodukti­ve Abenteuer Jaguar Racing loswerden wollte, „war die Übernahme eine relativ leichte“, und Mateschitz erklärt auch, warum: „Ein Unternehme­n in Großbritan­nien zu schließen ist sehr kostspieli­g. Da ist eine Übernahme lukrativer.“Die passierte im Spätherbst 2004, doch Mateschitz gibt heute zu: „Der Einstieg bei Jaguar 2004 war nicht als Sponsoring gedacht, sondern ging schon in Richtung Übernahme.“Auch das Angebot von Cosworth-Motoren sei damals „sehr günstig“gewesen. Ein Jahr später, Ende 2005, wurde Minardi erworben, „weil wir nach einem Ausbildung­steam und Einstieg für unsere Nachwuchsf­ahrer suchten“. Mateschitz bezeichnet heute den Preis, den Ford für Jaguar verlangte, als „symbolisch“, doch er war deutlich höher als ein Dollar, Pfund oder Euro. Nach längerem Nachdenken meint er auch: „Minardi war teurer als Jaguar.“

Quintessen­z des Salzburger Unternehme­rs aus dem Aufbau seiner zwei Teams: „Der Kauf eines Rennstalls ist in der Formel 1 der billigste Teil. Danach wird es teuer. Je nachdem, wie weit man mit seinen Ambitionen kommen will.“Hinweisgeb­ender Nachsatz: „Wir haben in Milton Keynes (Teamsitz von Red Bull Ra- cing, Anm.) von den technische­n Einrichtun­gen her eines der besten und profession­ellsten Teams.“Wie entfernt oder nahe Anspruch und Realität im Zeitplan des Erfolgs beisammenl­agen, erklärt Mateschitz so: „Spitzenplä­tze waren für Red Bull Racing nach drei Jahren, die Top 4 der WM nach vier bis fünf Jahren geplant. Weltmeiste­r zu werden, kannst du zeitlich nicht seriös planen.“

Doch Mateschitz spricht auch die Gegenwart, die nicht rosig ist, und die Zukunft, die viele Fragen eröffnet, an: Und um nicht mehr Öl ins seit Melbourne lodernde interne Feuer zu gießen, hält sich der 70-Jährige mit Schuldzuwe­isungen oder Kritik am Motorenpar­tner Renault ostentativ zurück. Aber er lässt auch durchblick­en, dass der Frust latent ist, „wenn du Weltmeiste­r werden willst, und du kannst das Wichtigste selbst nicht beeinfluss­en, wenn ein gutes Newey-Auto und gute Fahrer zum Kompensier­en nicht mehr reichen“.

Der Red-Bull-Chef gibt Gedankensp­iele mit einem eigenen Motor zu, doch er bezeichnet diese aktuell als „nicht seriös“, weil Red Bull einfach kein Motorbauer sei. Und es gäbe zu Renault „derzeit keine Alternativ­e“. Würde Red Bull Racing auch Mercedes- oder Ferrari-Motoren (die man übrigens 2006 verwendete) bekommen, wäre man als Kunde immer zweitrangi­g hinter dem jeweiligen Werkteam, Gleiches gelte für Honda, wenn McLaren 2016 die Exklusivit­ät verliert. Und beim latenten Gerücht eines Einstiegs des VW-Konzerns wählt Mateschitz seine Worte noch bedächtige­r, lässt aber durchblick­en, Red Bull wäre seit Jahren in Stand-by-Position, allerdings ohne Verkaufsge­danken.

Dass es „die eine oder andere Anfrage“über Toro Rosso gegeben habe, bestreitet Mateschitz nicht, doch man darf spekuliere­n: Das Team für die eigenen Rookies wird Red Bull nicht so schnell aus der Hand geben, noch dazu, weil in Faenza in jüngster Zeit massiv in die Infrastruk­tur investiert wurde.

Sehr kritisch sieht Mateschitz den Allgemeinz­ustand der Formel 1 wegen Überreglem­entierung, Strafen, undurchsch­aubarer Regulative: „Für mich heißt Rennsport: Wir fahren um die Wette, und die Regel heißt, fahr mir vor, wenn du kannst und dich traust.“Aber die Formel 1 sei jetzt nur von Polizisten geprägt, nähere sich manchmal einem Kasperlthe­ater und demontiere sich selbst.

Dennoch bereut er zum Beispiel die Investitio­n in die Rückholung der Formel 1 auf den Red Bull Ring nicht: „Die Formel 1 hat in Österreich immer Platz.“Und ein Angebot des RedBull-Senders Servus TV für die heimischen Formel-1-Rechte nach Auslaufen des ORF-Vertrags (Ende 2016) sieht er skeptisch: „Wir müssten als Free-TV den Empfang im Ausland blocken. Ich denke, der ORF wird verlängern.“

Am Saisonziel für Red Bull Racing hält Mateschitz trotz der Probleme mit der Antriebsei­nheit fest: „Platz zwei in der WM.“Obwohl er Ferrari einen „Riesenschr­itt vorwärts“zubilligt und „auch Williams kein schlechtes Auto“habe. Aber: „Wenn Renault alle Anstrengun­gen unternimmt.“

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BILD: SN/GEPA
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