Salzburger Nachrichten

Damit sie in Rumänien leben können

Die Debatte um Bettler ist aufgeheizt. Jetzt schreiten vier Salzburger Institutio­nen zur Tat. Sie helfen direkt in der Heimat der Sinti und Roma.

- Michael König, Diakonie

SALZBURG. Verbote, Verhaltens­regeln und Strafen, oder Notquartie­re und Verständni­s: Kein Thema hat Salzburg in der Vergangenh­eit so gespalten wie die Diskussion um Notreisend­e – meist aus Rumänien, die nach Salzburg kommen, um hier zu betteln. Eine SN-Umfrage zeigte kürzlich unter anderem, dass Armutsmigr­anten für 60 Prozent der befragten Salzburger ein „sehr großes“oder „großes“Problem darstellen und ein Großteil strengere Regeln fordert.

Michael König, Geschäftsf­ührer des Salzburger Diakoniewe­rks, will nicht mehr diskutiere­n, sondern handeln: „Quer durch die Gesellscha­ft besteht Einigkeit darüber, dass nachhaltig­e Hilfe in Rumänien ansetzen muss.“Nach engagierte­r Vorarbeit startet das Diakoniewe­rk nun ein Projekt in der Kleinstadt Dumbrăveni, nördlich der Kreisstadt Sibiu. Dort leben 8400 Menschen. 15 Prozent von ihnen gehören der Volksgrupp­e der Roma an. Dieser Anteil liegt deutlich höher als in anderen rumänische­n Städten. „Viele Kinder wachsen in sozial benachteil­igten Familien auf – geprägt von hoher Arbeitslos­igkeit und einem Mangel an Perspektiv­en.“

Diese Kinder haben kaum Zugang zu Bildung und damit später auch keine Chancen auf dem Arbeitsmar­kt. „Sie werden zu einer verlorenen Generation“, sagt König. Daher legt das Projekt „L.I.F.T. – Lernen. Integratio­n. Förderung. Tagesstruk­tur.“den Fokus auf Kinder und Jugendlich­e von sieben bis 15 Jahren. 25 sollen in einem geplanten Tageszentr­um Platz finden. „Der Besuch soll Kinder in ihrer schulische­n Laufbahn unterstütz­en und eine Basis für spätere Berufswege legen. Für sie sollen Bildung und sinnvolle Beschäftig­ung möglich sein“, sagt König. Dabei werden aber nicht nur Kinder aus Roma-Familien aufgenomme­n, sondern generell Kinder aus sozial benachteil­igten Familien. Das solle dazu beitragen, schon früh Vorurteile abzubauen. Denn: „Menschen aus der Volksgrupp­e der Roma sind wie auch in anderen Orten Rumäniens oftmals Vorurteile­n, Ausgrenzun­g und Benachteil­igung ausgesetzt“, sagt König.

Es sei sinnvoll, von Salzburg aus ein Projekt in Rumänien zu entwickeln – mit lokalen Partnern. „Das soll Modellchar­akter haben und von anderen Gemeinden übernommen werden.“Besonders an dem Projekt ist auch, dass sich dafür zum ersten Mal vier Salzburger Institutio­nen zusammenge­tan haben: Neben der Salzburger Diakonie sind auch die Caritas, das Rote Kreuz und die Erzabtei St. Peter mit dabei. Sie alle haben sich auf unterschie­dlichste Weise für Armutsmigr­anten engagiert – immer mit dem Blick auf die Menschen. Zudem unterstütz­en Stadt und Land Salzburg das Projekt finanziell – und die „Salzburger Nachrichte­n“sind als Medienpart­ner mit an Bord.

Für das erste Jahr seien die Kosten gesichert, sagt König. Für die ersten zwei Jahre 2015 und 2016 rechnet er mit je 100.000 Euro. Ab dem dritten Jahr kalkuliert er mit rund 95.000 Euro jährlich. Die Laufzeit wird mindestens acht Jahre betragen. „Es ist nicht selbstvers­tändlich, dass sich diese Organisati­onen zur Zusammenar­beit bereit erklärt haben, ein Projekt der europäisch­en Solidaritä­t zu tragen“, sagt König. „Dafür bin ich sehr dankbar.“

Das Projekt wird sich auf die Erfahrunge­n eines bereits bestehende­n Tageszentr­ums der „Stiftung öko-soziale Erziehung“in Rusciori nahe Sibiu stützen. Aber auch die Expertise aus bestehende­n Projekten des internatio­nalen Diakoniewe­rks werden ein- fließen. Dieses ist seit 2006 in Rumänien tätig und betreibt zwei Werkstätte­n für Menschen mit Behinderun­g sowie zwei Beratungss­tellen und einen ambulanten Dienst. Dort sind rund 80 Prozent der Klienten aus der Volksgrupp­e der Roma. Heuer soll auch eine Tagesbetre­uung in Sebes für sozial benachteil­igte Schulkinde­r aufgebaut werden.

Das Projekt will vor allem ortsansäss­ige Menschen einbinden. „In Dumbrăveni gibt es engagierte Menschen, vor allem auch Roma und Mitglieder der ungarische­n Minderheit“, sagt König. „Sie wollen die Initiative für ihre Volksgrupp­e ergreifen und brauchen dafür Unterstütz­ung. Wir werden sie einbinden.“Es geht vor allem darum, ihnen die Möglichkei­t zu geben, damit sie selbst Initiative ergreifen und die betroffene­n Familiensy­steme stärken können. „Das ist eine wesentlich­e Philosophi­e des Projekts.“

Damit es erfolgreic­h umgesetzt werden kann, sind die Stadt

„ Das wird für uns in Salzburg ein europäisch­es Lernprojek­t.“

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Das ist ein Haus in jener Siedlung in

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