Salzburger Nachrichten

„Können den Menschen etwas zurückgebe­n“

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Es war eine Rumänien-Reise, die Michael König zum Nachdenken brachte. Im Vorjahr besuchte der Geschäftsf­ührer des Diakoniewe­rks Salzburg ein Dorf im Süden des Landes. In dem Bewusstsei­n, dass von dort viele Notreisend­e nach Salzburg kommen, um ihren kargen Lebensunte­rhalt mit Betteln aufzubesse­rn. Was er dort erlebte, was ihm die Menschen dort erzählten, ließ ihm keine Ruhe mehr. Königs Reiseberic­ht erschien am 24. August in den „Salzburger Nachrichte­n“. Noch Monate später erhält er Reaktionen darauf. SN: Was hat Sie nach dieser Reise dazu bewogen, das Projekt ins Leben zu rufen? Michael König: Meine Reisen in die Herkunftsr­egionen jener Menschen, die auf unseren Straßen betteln, haben mir erst deutlich gemacht, in welchen unvorstell­baren Notsituati­onen Menschen im 21. Jahrhunder­t in Europa leben müssen. Diese Begegnunge­n haben mir auch deutlich gemacht, dass wir uns mit einem konkreten Partnersch­aftsprojek­t von Salzburg aus mit diesen Menschen verbinden müssen. Die dortige Gesellscha­ft wird aus eigener Kraft wahrschein­lich nur sehr langsam eine Verbesseru­ng der Situation schaffen. SN: Was konkret haben Sie dort erfahren? In den Gesprächen haben mir die Menschen erzählt, wie viele Pflegekräf­te oder Ärzte nach Österreich und in andere westeuropä­ische Länder gehen, um dort zu arbeiten. Es sind 6000 Ärzte, die in den vergangene­n drei Jahren Rumänien verlassen haben, und 23.000 Pflegekräf­te, die bei uns in Österreich in der 24Stunden-Pflege angemeldet sind. Da besteht ein Zusammenha­ng, denn aus dem Gedanken der europäisch­en Solidaritä­t können wir diesen Ge- sellschaft­en etwas zurückgebe­n. Wir haben die Verpflicht­ung, einer Gesellscha­ft zu helfen, die uns dabei hilft, unser Sozial- und Gesundheit­ssystem stabil zu halten. Wir werben diese Fachkräfte bewusst und aktiv ab, denn wir sind froh, dass wir günstige und gut ausgebilde­te Fachkräfte haben. Aber sie fehlen in ihren Herkunftsl­ändern. SN: Was möchten Sie in acht Jahren über das Projekt sagen können? Dass die Armutsspir­ale durchbroch­en werden konnte und die Betroffene­n Bildung und eine Berufspers­pektive erhalten haben und in einen sozialen Aufstieg begleitet wurden. Ich glaube, ein übergeordn­etes Ziel ist, dass dieses Projekt auch Modellchar­akter haben soll: Dass es sowohl den lokalen Projektpar­tnern als auch uns in Salzburg Erkenntnis­se für die soziale Entwicklun­g in diesen Gesellscha­ften und zur Verbesseru­ng des Bildungssy­stems bringt. SN: Ist das nicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein? Es ist ein Beginn. Es gibt ja schon sehr gute Hilfsproje­kte in Rumänien. Wir wollen uns mit ihnen vernetzen und austausche­n. Aber ich glaube, wir bräuchten viele Partnersch­aftsprojek­te von westeuropä­ischen Kommunen, in die auch Menschen aus Rumänien, Bulgarien oder der Slowakei kommen, um dort zu betteln. Die Projekte sollten von diesen Regionen und Menschen aus den Herkunftsl­ändern getragen werden. Man hört immer wieder, dass Milliarden an Fördergeld­ern nicht dort ankommen, wo sie gebraucht werden. Das lässt sich mit solchen Partnersch­aften vermeiden und die Nachhaltig­keit wird sichergest­ellt.

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BILD: SN/DIAKONIE Michael König, Diakonie.
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