Die EU versagt in der Flüchtlingskrise
Der Horror im Mittelmeer geht weiter. Immer mehr Migranten versuchen die Flucht und ertrinken. Und niemand vermag dieses Drama zu stoppen.
Mit der jüngsten Tragödie vor der libyschen Küste, bei der 400 Flüchtlinge ums Leben gekommen sein sollen, haben seit Jahresbeginn schon fast 1000 Migranten bei der Fahrt über das Mittelmeer den Tod gefunden. Und die Hochsaison auf dieser Fluchtroute, die im Sommer besonders stark genutzt wird, hat noch nicht einmal begonnen.
Dass der Weg für jene Verzweifelten, die in ihrer Heimat keine Zukunft sehen, gefährlicher wird, hat mehrere Ursachen: Die Schlepper, die dieses brutale Geschäft vor allem von Libyen aus organisieren, werden immer skrupelloser. Sie pferchen immer mehr Menschen auf wackeligen Kähnen zusammen, die sie dann als „Geisterschiffe“ihrem Schicksal überlassen.
Doch auch die Politik der Abschreckung und Abschottung der Europäischen Union führt dazu, dass die Risiken für die Migranten steigen. Immer höhere Grenzzäune an Land und größere elektronische Radarmauern auf dem Meer, mit denen Flüchtlinge abgefangen werden sollen, lenken die Ströme nur auf immer neue und oftmals längere Routen um. Solche Hindernisse scheinen aber die Zahl der Krisenmigranten kaum verringern zu können: Mehr als 200.000 Menschen kamen 2014 über das Meer; 2015 könnten es 300.000 werden, schätzt die europäische Grenzschutzagentur Frontex. Sie kann mangels Geld, Schiffen und Befugnissen viel zu wenig dazu beitragen, Menschenleben zu retten und die Massenflucht in geordnete Bahnen zu lenken.
Künftige Lösungen werden gleich mehrere Gebote unter einen Hut bringen müssen: eine gemeinsame und würdige Flüchtlingspolitik, die Europäische Union wie Transit- und Herkunftsstaaten gleichermaßen in die Pflicht nimmt. Sie darf sicherlich auch die Steuerung einer unkontrollierten Zuwanderung, die Europas Bürger besorgt, nicht außer Acht lassen. Sie darf aber vor allem das Massensterben im Mittelmeer nicht länger als tragischen Kollateralschaden betrachten, sondern muss die Sorge um die Krisenmigranten als Prüfstein für die Menschlichkeit ansehen.