Stagnierende Umsätze & Flächenwahn Das Eingreifen der Raumordnung in die Standortentwicklung kommt zu spät
Der große Boom bei den Einkaufszentren ist auch in Österreich vorüber. Der Markt ist gesättigt, Verdrängungswettbewerb und nicht mehr ungehemmtes Wachstum auf der grünen Wiese lautet selbst für die großen Einkaufstempel heute die Devise. Kann da die Entscheidung der Salzburger Landesregierung, einen weiteren Ausbau von Großflächen zu verbieten, ländliche Regionen stärken und Kaufleute in Ortszentren retten? Darüber gehen die Meinungen der Handelsexperten auseinander. Kaum, sagen die einen, der große Strukturwandel sei längst vollzogen. Besser spät als gar nicht gegensteuern, meinen andere. 223 Shoppingcenter und Fachmarktzentren mit einer Verkaufsfläche von jeweils mehr als 4000 Quadratmetern gibt es österreichweit. 3,7 Mill. Quadratmeter Verkaufsfläche macht das laut Beratungsunternehmen „Standort + Markt“insgesamt aus – knapp ein halber Quadratmeter Einkaufszentrum für jeden Österreicher. Einen „Masterplan Handel“festzulegen, der Ziele festschreibt, wohin die Entwicklung gehen soll und wie man das über die Raumordnung steuert, hält auch „Standort + Markt“-Chef Hannes Lindner für sinnvoll, „damit sich die Konkurrenz nicht derart zuspitzt, dass keiner mehr leben kann“. Der Fehler der Salzburger Entscheidung sei, eine Interessengruppe vergessen zu haben: die Kunden. Jeder zweite Österreicher (49,9%) kauft laut einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage von Marketagent.com lieber in einem Einkaufszentrum ein als in einer OpenAir-Einkaufsstraße. Nur 12,4 Prozent der 2000 Befragten bevorzugen die Einkaufsstraße, 37,7 Prozent gehen gleich gern in Einkaufszentren und Einkaufsstraßen. Für das Einkaufszentrum spreche Sauberkeit (73%), Parkplätze (70%) sowie gute Erreichbarkeit (65%), erklärt Studienautorin Dominique Ertl. Den Trend zum Einkaufszentrum stoppen zu wollen sei wie der Kampf gegen Windmühlen, meint Lindner. „Salzburg täte besser daran, Innenstadt und Europark als starke Player gleichsam zu fördern, und so die Attraktivität des Standorts Salzburg insgesamt zu stärken.“Die Jahre des wilden Wachstums seien ohnehin vorbei. „Den Scherbenhaufen des Flächenwahns haben wir bereits.“Jetzt gelte es starke Standorte zu festigen, egal ob Innenstadt oder Einkaufszentrum. „Denn die weit größere Konkurrenz kommt aus dem Internet.“ Den Onlinehandel sieht man auch beim Handelsberater RegioPlan als die stärkere Bedrohung. Bis zu einem Drittel der Verkaufsfläche in Österreich könnte mittelfristig überflüssig sein, weil der Kunde übers Netz einkauft. Einkaufszentren könnten hier leichter punkten als Einzelhändler, indem sie sich als „Schauraum“für bekannte Marken präsentieren. Ob der Kunde die Marke letztlich dort nur anschaut und später über das Internet kauft, ist dabei zweitrangig. Stagnierende Handelsumsätze bei verschärfter Konkurrenz durch das Internet und hohe Shopdichte sieht man auch bei der KMU Forschung Austria als Problem. Entscheidungen wie jene in Salzburg hätten vor zehn Jahren mehr bewirkt. Rund ein Zehntel des gesamten Handelsumsatzes von in Österreich knapp 60 Mrd. Euro wird mittlerweile im Internet gemacht, 30 Prozent fließen in Shoppingcenter und Fachmarktzentren, 60 Prozent erwirtschaften immer noch Geschäfte in Einkaufsstraßen und Nebenlagen.