Salzburger Nachrichten

Ein Schleuser warnt vor Flucht auf dem Schiff

- ISTANBUL. SN, dpa

Eine triste Wohnung im Istanbuler Stadtteil Aksaray: Die Wohnung mit ihren drei kargen Schlafzimm­ern ist kein Zuhause, sondern Durchgangs­station für manchmal bis zu 15 illegale Flüchtling­e gleichzeit­ig, von denen die meisten nach Deutschlan­d wollen. Den Schlüssel für die Behausung hütet Hamid – der einem Schleuserr­ing in der Türkei angehört.

Hamid ist ein jesidische­r Kurde und selbst vor zwei Jahren aus Syrien geflohen. Seinen vollen Namen möchte der 40-Jährige nicht nennen, auch fotografie­rt werden will er nicht. Zustande gekommen ist der Kontakt über einen Flüchtling in der südtürkisc­hen Stadt Viransehir, der nach Deutschlan­d will und Hamids Telefonnum­mer hat.

Hamid sagt, seine Aufgabe sei es, Flüchtling­e in Istanbul unterzubri­ngen, bevor sie weiterreis­ten. Die anderen vier Mitglieder seiner türkisch-kurdischen Gruppe organisier­ten den Grenzübert­ritt nach Bulgarien, wo ein eigenes Schleusern­etz die Flüchtling­e übernehme. In den vergangene­n zwei Jahren habe allein seine Gruppe mehr als 500 Flüchtling­e in die EU gebracht, schätzt Hamid. Immer mehr Menschen versuchten, dem Elend in ihrer Heimat zu entkommen. „Die Zahl nimmt zu“, sagt der Schleuser. „Die meisten wollen nach Deutschlan­d.“Seine Kundschaft bestehe aus Kurden aus dem Irak und Syrien, darunter viele Jesiden. Auch Araber und Afghanen seien dabei.

Die Preise der Schleuserb­anden schwankten, sagt Hamid. Für den Landweg über Bulgarien nach Deutschlan­d würden 7500 Euro bis 12.000 Euro pro Person fällig, seine Gruppe verlange 8500 Euro. Er sagt: „Wenn du ein Schiff nimmst, ist es billiger.“Eine Überfahrt nach Italien koste 5000 Euro, der einfache Grenzübert­ritt nach Bulgarien 1500 Euro. „Die meisten unserer Kunden gehen über Bulgarien“, sagt Hamid. „Sie haben Angst vor den Schiffen.“

Er selbst rate den Flüchtling­en vom Seeweg ab. „Es ist sehr riskant. Viele Menschen sterben.“75 Prozent der Flüchtling­e, die nach Deutschlan­d wollten, erreichten ihr Ziel, schätzt Hamid.

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BILD: SN/AP/MONTANALAM­PO 5000 Euro koste die Überfahrt nach Europa, sagt ein Schleuser.

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