400 Flüchtlinge nach Bootsunglück vermisst
Möglicherweise sind erneut Hunderte Menschen auf der riskanten Überfahrt nach Europa ertrunken.
Bei einer der schlimmsten Flüchtlingskatastrophen der vergangenen Jahre sind möglicherweise Hunderte Menschen im Mittelmeer ertrunken. Das berichtete die Hilfsorganisation „Save the Children“unter Berufung auf Überlebende, die von der italienischen Küstenwache nach dem Kentern eines voll besetzten Boots vor der libyschen Küste am Montag in Sicherheit gebracht wurden. Insgesamt retteten die Einsatzkräfte in den vergangenen Tagen fast 10.000 Menschen auf hoher See, wie die Küstenwache mitteilte.
Italien hat Mühe, den erneuten Ansturm zu bewältigen. Allein am Dienstag wurden nach Angaben der Küstenwache bei zwölf Rettungsaktionen 1511 Migranten in Sicherheit gebracht, innerhalb weniger Tage waren es damit fast 10.000. Italiens Kommunen und Regionen warnten, keine Flüchtlinge mehr aufnehmen zu können. „Wir sind am Ende unserer Kräfte“, sagte Giuseppe Geraci, Bürgermeister der kalabrischen Stadt Corigliano Calabro. „Wenn morgen weitere Migranten ankommen, können wir keine Unterstützung mehr garantieren.“Im Auffanglager auf der Insel Lampedusa, das für etwas mehr als 250 Menschen ausgelegt ist, hielten sich nach Angaben der Agentur Ansa am Dienstag etwa 1400 Menschen auf.
Die erneute Katastrophe mit möglicherweise bis zu 400 Toten löste in Europa eine Diskussion über den Umgang mit den Flüchtlingen aus. Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen im Europaparlament, Ska Keller, sagte, leider sei eine neue Katastrophe absehbar gewesen. In Deutschland und Groß- britannien lehnen Politiker ein europäisch koordiniertes Programm zur Rettung von Flüchtlingen mit der Begründung ab, dass dieses nur noch mehr Menschen auf Boote in Richtung Europa locken würde. „Das ist eine unvorstellbare Katastrophe“, sagte Keller zu dem jüngsten Schiffsunglück. Die Küstenwache hatte am Montag 144 Flüchtlinge von dem gekenterten Boot vor der Küste Libyens gerettet. Neun Leichen wurden geborgen. Eine große Rettungsaktion nach den rund 400 Vermissten wurde eingeleitet. Weitere Überlebende wurden aber nicht gefunden. Es wäre eine der schlimmsten Tragödien auf dem Mittelmeer, seit im 2013 mehr als 360 Menschen vor der Insel Lampedusa umgekommen sind.