Salzburger Nachrichten

Bildgeschi­chten aus der Hölle des Kurt Cobain

Eine spektakulä­re Dokumentat­ion kommt dem Nirvana-Frontmann herzzerrei­ßend nahe.

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Familienbi­lder aus glückliche­n Tagen: Da hämmert ein übermütige­r Bub auf ein Spielzeugk­lavier, mit Sommerhimm­elaugen und weißblonde­m Schopf. Mit privaten Szenen beginnt die Doku „Kurt Cobain – Montage of Heck“(etwa: „Montage der Hölle“, ein Zitat von einem privaten Tonband Cobains). Und sie ist das Porträt eines Zerrissene­n: Regisseur Brett Morgen arbeitete acht Jahre lang an dem Film, der auf Wunsch von Cobains Familie entstand.

„Montage of Heck“ist so unmittelba­r, als hätte sich Cobain nicht vor schon 21 Jahren in den Kopf geschossen. Morgen gelingt außergewöh­nliche Nähe, schon zu Beginn, als sich die sonnige Kindheit in Tragik wendet: Als die Eltern sich trennen, als der unbändige Bub mit Ritalin beruhigt werden soll, als er von Elternteil zu Elternteil geschoben wird. Kurt hat keine Strategien, mit Frust und Schaffensd­rang umzugehen. Doch sich auszudrück­en lernt er, mit einer schmerzlic­hen Intensität, von der sich später auch andere verstanden fühlen, die am Heldentum scheitern.

Die „Stimme einer Generation“heißt er dann in der Presse, als er mit seiner Band Nirvana Stadien füllt. Bis heute wird er von Millionen Fans verehrt.

Morgen holt Cobains Eltern, seine Schwester, den Nirvana-Bandkolleg­en Krist Novoselic, seine Exfreundin und seine Witwe Courtney Love vor die Kamera und kombiniert die Interviews mit Archivmate­rial. Damit sind die Ähnlichkei­ten zu einer herkömmlic­hen Rockdoku aber bereits vorbei. Der Mythos Nirvana, Verkaufsza­hlen, Touren kommen nur am Rande vor. Im Fokus bleiben immer Cobain und seine Fantasie, die von ständigen Magenschme­rzen und Drogenerfa­hrungen befeuert wurde.

Die Familie gewährte Morgen umfassende­n Zugang auf die gesamte Hinterlass­enschaft: Tagebücher, unveröffen­tlichte bildnerisc­he Arbeiten und über zweihunder­t Stunden Tonbänder standen ihm zur Verfügung, auf denen Cobain mit Sprache, Geräuschen, Musik fabuliert. Und Morgen erweckt das Material zum Leben: Fantastisc­he Trickanima­tionen wachsen da aus Cobains Zeichnunge­n und Notizen heraus, werden zu albtraumha­ften Zeugen eines überborden­den Geistes. Der Film folgt Cobain bis in die Privatheit von Homevideos des jungen Elternpaar­es Kurt und Courtney, die mit ihrer kleinen Tochter spielen, teils merklich unter Drogeneinf­luss. Aus all dem ergibt sich eine stürmische Montage, die eine ungefilter­te Kurt-Erfahrung vermittelt. Auf das Rockhelden­podest verzichtet der Film ganz, auch der Selbstmord bleibt ausgespart. Dafür zeigt der Film auch Zärtlichke­it und Lebensfreu­de noch inmitten der Privathöll­e, die Cobain sich selbst errichtet hatte.

Es gibt in Österreich nur wenige Gelegenhei­ten, den Film zu sehen: Am 19. April läuft er als Abschlussf­ilm des Musikfilmf­estivals Poolinale im Wiener Gartenbauk­ino, eine zweite Vorstellun­g gibt es am 25. April. Zu mehr konnte sich der Verleih bislang nicht entschließ­en. Film: Kurt Cobain: Montage of Heck. Dokumentat­ion, USA 2015. Regie: Brett Morgen.

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BILD: SN/AP Stets verloren: Kurt Cobain.

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