Cola für die Sowjet-Armee
Am einen Ende der Brücke standen russische Wachen, am anderen US-Soldaten: Wie Linzer nach dem Krieg in der geteilten Stadt lebten.
Die russischen Soldaten waren gefürchtet. Aber auch die Begegnung mit US-Besatzern konnte gefährlich werden. „Die Straßen sind bis längstens 13 Uhr vollständig zu räumen. Wer sich nach diesem Zeitpunkt auf der Straße befindet, wird erschossen“, teilte am 5. Mai 1945 lakonisch ein Aushang „Auf Befehl des amerikanischen Generals“mit. Mit dem Einmarsch der US-Truppen in der Stadt, für die Hitler einst Pläne geschmiedet hatte, endete für Linz der Zweite Weltkrieg. Als die sowjetische Armee im Sommer den nördlichen Teil von Linz besetzte, wurde die Donau zur schwer bewachten Grenze, die mitten durch die Stadt verlief.
Die US-Wachposten auf der einen und die russischen Soldaten auf der anderen Seite der Linzer Nibelungenbrücke: Das sei für viele Zeitzeugen eine der prägendsten Erinnerungen, sagt Klaudia Kreslehner. Gemeinsam mit dem Historiker Georg Thiel hat sie im Stadtmuseum Nordico die Schau „Geteilte Stadt. Linz 1945–1955“gestaltet. Oft geht es in den Erinnerungen um Einschränkung, Not oder Schikanen. Mancher Zeitzeuge erzählt auch unerwartete Grenzerlebnisse.
Bei der ersten Fahrt, die er in seinem neuen Beruf in die russische Zone machen sollte, sei ihm „schon ein bisschen komisch“geworden, erzählt ein Linzer in einem der Interviews, die auf Monitoren zu sehen sind. Er habe sich gefragt, ob er wohl am gleichen Tag ungehindert wieder zurückkommen werde. Er hatte Cola-Flaschen in den russisch besetzten Teil zu liefern. Seit 1953 gab es in Oberösterreich eine eigene Abfüllanlage. Der tägliche Weg über die Brücke habe sich schnell eingespielt: Bei der Fahrt hinüber erhielten die russischen Posten immer einen Sechserträger. „Bei der Rückfahrt haben sie mir jedes Mal die leeren Flaschen wieder mitgegeben.“Noch 1953 kam eine gute Nachricht: Die Brücke wurde wieder freigegeben.
Eine symbolische Brücke ist auch in die Ausstellungsarchitektur eingebaut. Andere Vitrinen zeigen Rationierungskarten, Care-Pakete, Werkzeug zum Repassieren von Strumpfhosen oder erinnern an die stabilste Tauschwährung der Zeit: Zigaretten. Denn die Ausstellung zum 70. Jahrestag des Kriegsendes und zum 60. Staatsvertragsjubiläum schaut nicht auf die politischen Strategien, sondern zeigt, wie die Linzer im Alltag einer geteilten Stadt (über)lebten. Andere Aspekte des Jahrzehnts werden parallel dazu in Schlossmuseum und Landesgalerie, auf Schloss Ebelsberg sowie im Freistädter Schlossmuseum be- leuchtet – in enger Abstimmung, wie Nordico-Chefin Andrea Bina bei der Presseführung am Mittwoch sagte. Das Leben in Linz war 1945 von einer anderen Dichte geprägt: Durch Flüchtlinge, Heimkehrer und Besatzer stieg die Bevölkerungszahl trotz der Zerstörungen sprunghaft an. Die Bilddokumente aus den Linzer Archiven zeigen Notbaracken und die ersten improvisierten Kioske, aber auch den allmählichen Wandel Richtung Wirtschaftswunder: Das erste Selbstbedienungsgeschäft Österreichs stand in Linz. Langsam rollte die Konsumwelle an. In einer Vitrine ist Mondänes zu entdecken: Neben der Zeitschrift „Frau und Mutter“versprach ein US-Journal namens „Woman“1951 buntere Perspektiven.
Ausstellung: