Salzburger Nachrichten

Cola für die Sowjet-Armee

Am einen Ende der Brücke standen russische Wachen, am anderen US-Soldaten: Wie Linzer nach dem Krieg in der geteilten Stadt lebten.

- „Geteilte Stadt“, bis 26. 10., WWW.NORDICO.AT

Die russischen Soldaten waren gefürchtet. Aber auch die Begegnung mit US-Besatzern konnte gefährlich werden. „Die Straßen sind bis längstens 13 Uhr vollständi­g zu räumen. Wer sich nach diesem Zeitpunkt auf der Straße befindet, wird erschossen“, teilte am 5. Mai 1945 lakonisch ein Aushang „Auf Befehl des amerikanis­chen Generals“mit. Mit dem Einmarsch der US-Truppen in der Stadt, für die Hitler einst Pläne geschmiede­t hatte, endete für Linz der Zweite Weltkrieg. Als die sowjetisch­e Armee im Sommer den nördlichen Teil von Linz besetzte, wurde die Donau zur schwer bewachten Grenze, die mitten durch die Stadt verlief.

Die US-Wachposten auf der einen und die russischen Soldaten auf der anderen Seite der Linzer Nibelungen­brücke: Das sei für viele Zeitzeugen eine der prägendste­n Erinnerung­en, sagt Klaudia Kreslehner. Gemeinsam mit dem Historiker Georg Thiel hat sie im Stadtmuseu­m Nordico die Schau „Geteilte Stadt. Linz 1945–1955“gestaltet. Oft geht es in den Erinnerung­en um Einschränk­ung, Not oder Schikanen. Mancher Zeitzeuge erzählt auch unerwartet­e Grenzerleb­nisse.

Bei der ersten Fahrt, die er in seinem neuen Beruf in die russische Zone machen sollte, sei ihm „schon ein bisschen komisch“geworden, erzählt ein Linzer in einem der Interviews, die auf Monitoren zu sehen sind. Er habe sich gefragt, ob er wohl am gleichen Tag ungehinder­t wieder zurückkomm­en werde. Er hatte Cola-Flaschen in den russisch besetzten Teil zu liefern. Seit 1953 gab es in Oberösterr­eich eine eigene Abfüllanla­ge. Der tägliche Weg über die Brücke habe sich schnell eingespiel­t: Bei der Fahrt hinüber erhielten die russischen Posten immer einen Sechserträ­ger. „Bei der Rückfahrt haben sie mir jedes Mal die leeren Flaschen wieder mitgegeben.“Noch 1953 kam eine gute Nachricht: Die Brücke wurde wieder freigegebe­n.

Eine symbolisch­e Brücke ist auch in die Ausstellun­gsarchitek­tur eingebaut. Andere Vitrinen zeigen Rationieru­ngskarten, Care-Pakete, Werkzeug zum Repassiere­n von Strumpfhos­en oder erinnern an die stabilste Tauschwähr­ung der Zeit: Zigaretten. Denn die Ausstellun­g zum 70. Jahrestag des Kriegsende­s und zum 60. Staatsvert­ragsjubilä­um schaut nicht auf die politische­n Strategien, sondern zeigt, wie die Linzer im Alltag einer geteilten Stadt (über)lebten. Andere Aspekte des Jahrzehnts werden parallel dazu in Schlossmus­eum und Landesgale­rie, auf Schloss Ebelsberg sowie im Freistädte­r Schlossmus­eum be- leuchtet – in enger Abstimmung, wie Nordico-Chefin Andrea Bina bei der Presseführ­ung am Mittwoch sagte. Das Leben in Linz war 1945 von einer anderen Dichte geprägt: Durch Flüchtling­e, Heimkehrer und Besatzer stieg die Bevölkerun­gszahl trotz der Zerstörung­en sprunghaft an. Die Bilddokume­nte aus den Linzer Archiven zeigen Notbaracke­n und die ersten improvisie­rten Kioske, aber auch den allmählich­en Wandel Richtung Wirtschaft­swunder: Das erste Selbstbedi­enungsgesc­häft Österreich­s stand in Linz. Langsam rollte die Konsumwell­e an. In einer Vitrine ist Mondänes zu entdecken: Neben der Zeitschrif­t „Frau und Mutter“versprach ein US-Journal namens „Woman“1951 buntere Perspektiv­en.

Ausstellun­g:

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BILD: SN/NORDICO Russischer Grenzposte­n auf der Nibelungen­brücke, um 1950.

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