„Cyberterroristen sind der nächste logische Schritt“
Cyberkriminelle könnten laut US-Berichten vom Boden aus die Kontrolle über Flugzeuge übernehmen. „Und noch viel mehr“, sagt der wohl bekannteste Virenexperte Kaspersky.
Dass Jewgeni Kaspersky Russe ist, hört man beim ersten Satz. Dass er laut „Forbes“800 Millionen Dollar reich ist, sieht man ihm nicht an. Vor einem steht ein Mann, der auch als Holzfäller durchgehen könnte: lautes Lachen und ein Händedruck, der beinahe schmerzt. Doch der Russe ist Chef von Kaspersky Lab, einem der größten Hersteller von Anti-Viren-Software weltweit. Wenn sich jemand mit Attacken aus dem World Wide Web auskennt – und wie man diese verhindert –, dann er. „Viren sind wie Waffen und die Ingenieure wie Täter, die sie benutzen, um Computersysteme zu hacken“, sagt Kaspersky, als man ihn zum Interview auf der Messe rund um die Eröffnung des neuen Interpol-Cybercrime-Centers in Singapur trifft.
„Cyberkriminelle haben in den vergangenen Jahren viel dazugelernt. Nun sind sie in der Lage, auch hoch geschützte Unternehmen zu attackieren. Aber das Schlimmste sind die Attacken auf kritische Infrastruktur, wie Stromwerke, das Transportwesen, Telekommunika- tion“, erzählt Kaspersky. Erst am Mittwoch hatte ein Bericht des USRechnungshofs aufhorchen lassen. Er kommt zu dem Ergebnis, dass moderne Passagiermaschinen ein leichtes Ziel für Cyberkriminelle seien. Mit einem Laptop vom Boden aus könne die Kontrolle über den Flug übernommen werden, heißt es darin. „Traditionelle Kriminelle haben bereits die Möglichkeiten der Cyberwelt erkannt. Sie engagieren Profis, um dort Attacken durchzuführen oder etwas zu stehlen. Doch Cyberterroristen sind der nächste logische Schritt. Also Terroristen, die ihre Möglichkeiten im Netz erkennen und sich Profis für die Umsetzung besorgen“, erklärt Kaspersky. Auszuschließen sei dabei nicht, dass die Terroristen vor den großen Attacken eine Art Probelauf in europäischen Ländern durchführen könnten. „Man will ja wissen, ob der Plan auch wirklich funktioniert.“
Den Schutz in Österreich schätzt Kaspersky als gut ein. „Österreichs Regierung widmet dem Thema eine Menge Aufmerksamkeit. Aber man kann vor allem von zwei Ländern noch viel lernen: Israel und Singapur. Sie haben nationale Cyber-Security-Pläne, Strategien und Programme.“Der Grund für den Vorsprung liegt laut Kaspersky auf der Hand: die Nachbarn der Ländern. „Natürlich sind die Nachbarländer Israels wesentlich feindlicher als jene von Österreich. Aber darauf darf man sich nicht verlassen.“
Innenministerin Johanna MiklLeitner (ÖVP), die nach ihrem Besuch bei Interpol in Singapur bereits heute weiter zu Europol reist, wo es ebenfalls um das Thema Cybersicherheit geht: „Kriminelle kennen längst keine Grenze mehr, dessen sind wir uns bewusst und sorgen vor.“
Länder, die besonders im Fokus von Cyberkriminellen stehen, sind laut Kaspersky die USA, Westeuropa und mittlerweile auch Japan. „Gerade an Japan erkennt man, wie anpassungsfähig die Kriminellen sind. Früher gab es kaum Cyberattacken, weil es die Sprach- und Schriftbarrieren gab. Mittlerweile nutzen Cyberkriminelle eigene Übersetzungsprogramme, die ihnen ihre Attacken in Japan ermöglichen.“
Welches Land Kaspersky als besonders sicher erachtet? Er lacht: „Vermutlich eine kleine Insel. Auf jeden Fall ein Ort, wo es keine Einrichtungen, wie Kraftwerke, oder Ähnliches gibt, die sich als Ziel einer Cyberattacke eignen.“
Verhindern ließen sich die Attacken laut dem Experten letztlich nur durch drei Schritte: Bildung und Bewusstseinsbildung, eine enge Zusammenarbeit mit öffentlichen Behörden und dem Schutz kleiner Unternehmen.