Salzburger Nachrichten

„Ich bin nicht schuldig“

Im Fall Aliyev wurden die mutmaßlich­en Mittäter mit belastende­m Material konfrontie­rt. Es geht um das Versteck der Leichen zweier Banker und um ein fragwürdig­es Skype-Gespräch.

-

WIEN. Brutale Folter, Misshandlu­ng und schließlic­h ein Doppelmord. An all dem soll Alnur M. beteiligt gewesen sein. Jener schmächtig­e Mann, der am Mittwoch mit locker überschlag­enen Beinen in der Mitte des großen Schwurgeri­chtssaal im Wiener Landesgeri­cht saß und das Treiben rund um ihn beobachtet­e.

Anwälte, Geschworen­e, Richter und Journalist­en warteten gespannt, was der 61-Jährige zu der Anklage der Staatsanwa­ltschaft Wien zu sagen hatte. Denn die wirft ihm vor, im Jahr 2007 gemeinsam mit Vadim K. (42) an der von Rakhat Aliyev betriebene­n Verschlepp­ung, Misshandlu­ng und Ermordung der zwei Manager der kasachisch­en Nurbank beteiligt gewesen zu sein.

„Nicht schuldig“, antwortete der Angeklagte am zweiten Prozesstag knapp auf die Frage des Richters. Dort waren auch am zweiten Prozesstag im Fall Aliyev die Sicherheit­svorkehrun­gen hoch.

Einst war Alnur M. ein mächtiger Mann in Kasachstan. Laut eigener Aussagen hat er nach dem Ende der Sowjetunio­n eng mit dem kasachisch­en Präsidente­n und späteren politische­n Gegner Aliyevs, Nursultan Nasarbajew, am Aufbau des Staatswese­ns mitgearbei­tet. Dieser habe ihn als „Spezialist­en für nationale Sicherheit“eingesetzt und gebeten, „aus Sicht der Staatssich­erheit die Banken und das Finanzwese­n zu regeln“. M. habe auch Nasarbajew­s Schwiegers­ohn Aliyev in die Politik eingeführt. Bis 2002 war er Chef des kasachisch­en Inlandsgeh­eimdienste­s KNB. Danach habe er seine offizielle­n Funktionen zurückgele­gt und als privater Geschäftsm­ann seinen Alltag bestritten, erklärte M.

Doch dann kam der Bruch mit Präsident Nasarbajew. M. habe sich wie auch Aliyev nach Österreich abgesetzt, weil er befürchtet habe, in seiner Heimat strafrecht­lich verfolgt zu werden. Er wurde im Jänner 2008 in Kasachstan wegen Mordes an den entführten Managern der Nurbank in Abwesenhei­t zu 15 Jahren Haft verurteilt. In Wien wurde zwei Mal versucht, M. zu entführen. 2009 sollte er mit Gewalt in die kasachisch­e Botschaft gebracht und angeblich in weiterer Folge außer Landes geschafft werden.

Ob M. an dem Doppelmord in Kasachstan beteiligt gewesen war, soll in den nächsten Monaten das Geschworen­engericht in Österreich klären.

Mehr Klarheit in die Sache sollte am Mittwoch die Befragung von M. bringen. Der 61-Jährige bestritt jedoch, zur Tatzeit am Tatort gewesen zu sein. Die Angaben der Zeugen, die ihn am Tatort gesehen haben wollen, seien unwahr: „Ich war in dieser Zeit in meiner Wohnung. Dafür gibt es Zeugen.“

Im Mittelpunk­t der mehrstündi­gen Befragung stand ein Internette­lefonat über Skype, das M. 2010 mit einem Bekannten geführt hatte. M. wusste nicht, dass der Bekannte das Gespräch aufgezeich­net hatte. Der brisante Inhalt des Gesprächs: der Aufenthalt­sort der Banker-Leichen.

Der Ex-Geheimdien­stler hält in diesem Gespräch fest, er könne „zu 100 Prozent“den Vergrabung­sort nennen. Den Ort selbst nennt er nicht. Anschließe­nd unterhalte­n sich die beiden darüber, ob Überreste der Leichen zu finden wären und wie man Leichen grundsätzl­ich „verschwind­en“lassen kann. M. behauptet, das ihn belastende Beweismitt­el sei im Nachhinein „bearbeitet und manipulier­t“worden.

 ?? BILD: SN/APA/ROLAND SCHLAGER ?? Der Angeklagte M. will nicht am Tatort gewesen sein.
BILD: SN/APA/ROLAND SCHLAGER Der Angeklagte M. will nicht am Tatort gewesen sein.

Newspapers in German

Newspapers from Austria