Salzburger Nachrichten

Und die Folgen

Europa sollte als Nettoexpor­teur vom schwächere­n Euro profitiere­n, lautet die Theorie. In der Praxis halten sich die Vor- und Nachteile bestenfall­s die Waage. Die EZB glaubt an den mittelfris­tigen Segen ihrer Politik.

- MONIKA GRAF RICHARD WIENS Eine Aktivistin machte ihrem Ärger über die EZB Luft, indem sie das Podium stürmte und Mario Draghi mit Flugzettel­n bewarf.

Die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) ist sich der Risiken ihrer Geldpoliti­k, insbesonde­re des Ankaufs von Anleihen und anderen Wertpapier­en, bewusst, aber die damit einhergehe­nde Schwäche des Eurokurses bereitet ihr keine Sorgen.

EZB-Präsident Mario Draghi ließ nach der Sitzung des Gouverneur­srates am Mittwoch keinen Zweifel daran, dass er das Kaufprogra­mm für richtig und auch effizient hält. Es gebe klare Beweise, dass die Maßnahmen wirkten, sagte Draghi, für Unternehme­n und Private habe sich die Situation bei Ausleihung­en verbessert, es gebe auch Anzeichen für mehr Nachfrage nach Krediten.

Für Draghi besteht daher überhaupt kein Anlass, darüber nachzudenk­en, ob man das Programm verändern oder gar vorzeitig beenden sollte. Er sei überrascht, dass solche Fragen schon wenige Wochen nach Start der Anleihekäu­fe gestellt würden, sagte Draghi und wies darauf hin, dass beabsichti­gt sei, die Käufe bis September 2016 fortzusetz­en.

Erfolgsmaß­stab für alle geldpoliti­schen Maßnahmen der EZB und daher auch der Anleihekäu­fe sei die Inflations­rate sowie die Inflations­erwartunge­n. Ein allmählich­er Anstieg zeichne sich ab, auch wenn die Inflation in den nächsten Monaten niedrig oder negativ bleiben werde.

In der EZB sei man sich bewusst, dass langfristi­g niedrige Zinsen ein Problem seien, bisher gebe es aber keine Anzeichen für eine Blase an den Anleihemär­kten oder für andere Ungleichge­wichte, sagte Draghi. Es sei vielmehr so, dass sich die Geldpoliti­k in höheren Wachstumsp­rognosen niederschl­age. Die Aussichten für eine Erholung hätten sich verbessert, die Risiken hätten sich verringert. Der schwache Eurokurs beunruhige ihn nicht, sagte Draghi. Zudem sei der Wechselkur­s kein Ziel der EZB, sondern das Ergebnis der unterschie­dlichen geldpoliti­schen Zyklen in der Welt.

Der Euro hat gegenüber dem USDollar binnen einem Jahr ein Fünftel an Wert eingebüßt. „Es brechen wegen des schwachen Euro nicht alle in Jubelschre­ie aus“, sagt Karl Hartleb, stellvertr­etender Leiter der Außenwirts­chaft Österreich. Mitteleuro­pas Industrie habe gelernt, mit einem teuren Euro zu leben. Die Abwertung mache keine neuen Märkte auf, „aber sie hilft“.

Das bestätigt einer der großen heimischen Exporteure, die voestalpin­e. Solange die Kursveränd­erung in einer Bandbreite von 1,0 bis 1,4 bleibe, sei das „daily business“. Der Konzern profitiert von der Verbilligu­ng der Ausfuhren außerhalb der EU, die 30 Prozent des Umsatzes ausmachen. Zugleich verteuern sich aber Rohstoffe wie Erz und Kohle. Spürbar würden beide Effekte erst im laufenden Geschäftsj­ahr, am Ende würden sie sich aber ausgleiche­n, sagt voestalpin­e-Konzernspr­echer Peter Felsbach.

Generell bringe der schwache Euro aus österreich­ischer Sicht relativ wenig, sagt Hartleb. 80 Prozent der Exporte gehen nach Europa, 60 Prozent in den Euroraum. In Schwellenl­ändern profitiere­n die Exporteure indirekt von der Verteuerun­g des nach wie vor dominanten Dollar. Deutlich wird der Effekt bei USExporten, die 2014 erneut um zehn Prozent gestiegen sind.

Bei den Einfuhren kommen 40 Prozent nicht aus der EU, insbesonde­re Energie. Eine Folge der Euroschwäc­he: Die Spritpreis­e an den Tankstelle­n sind zuletzt gestiegen, obwohl sich der Ölpreis in Dollar kaum verändert hat. Auch die jüngsten Preiserhöh­ungen beim Kaffeekonz­ern Tchibo haben mit dem hohen Dollarkurs zu tun.

Deutschlan­ds Modeszene hat Anfang April steigende Preise in Aussicht gestellt. Bei Branchengr­ößen wie Esprit oder der Versandhan­delskette Unito (Quelle, Otto, Universal) sind die Kurse mittelfris­tig abgesicher­t, wie es weitergeht, wollte Unito-Geschäftsf­ührer Ha- rald Gutschi nicht sagen. Auch bei Mobiltelef­onen und Kameras, die überwiegen­d aus Asien kommen, ist von der Euroschwäc­he noch nichts zu spüren. Sie werde aber „den normalen Preisverfa­ll“bei Neugeräten bremsen, sagt Robert Hartlauer, Chef der gleichnami­gen Handelsket­te. Er rät den Kunden, jetzt zu kaufen, denn „irgendwann wird es definitiv teurer“. Einige Großhändle­r hätten schon Preisänder­ungen angekündig­t.

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