Salzburger Nachrichten

Von Gummistief­eln zu Hightech

Bei der geplanten Übernahme des französisc­hen Konkurrent­en Alcatel-Lucent steht Nokia vor der größten Akquisitio­n seiner Geschichte. Der einstige Handy-Weltmarktf­ührer aus Finnland erfindet sich wieder einmal neu.

- SN, AFP, Reuters

In der hart umkämpften Telekommun­ikationsbr­anche steht eine Megafusion bevor: Der finnische Nokia-Konzern übernimmt seinen US-französisc­hen Konkurrent­en Alcatel-Lucent und will so einen „Marktführe­r bei innovative­n Technologi­en“schaffen. Die Übernahme solle im ersten Halbjahr 2016 erfolgen, erklärten beide Unternehme­n am Mittwoch.

Am Dienstag war die geplante Fusion, wie berichtet, noch unter Vorbehalt gestanden. Aber offensicht­lich gelang es den Konzernen, das Wohlwollen der französisc­hen Re- gierung zu erhalten. Paris hat die Telekomind­ustrie zu einer strategisc­hen Branche von nationalem Interesse erklärt, der französisc­he Staat hält über eine Bank 3,6 Prozent an Alcatel-Lucent. Präsident François Hollande hatte sich am Dienstag kurzfristi­g mit NokiaChef Rajeev Suri und Alcatel-Lucent-Chef Michel Combes getroffen. Frankreich­s Wirtschaft­sminister Emmanuel Macron begrüßte die Fusion, denn es werde „ein großer europäisch­er Champion“entstehen. Combes sagte dem Sender BFM-Business zudem, die Aktivitä- ten bei Forschung und Entwicklun­g in Frankreich sollten um „25 Prozent“gesteigert werden. So sollten in Frankreich 500 neue Entwickler eingestell­t werden.

Entstehen soll ein neuer Technologi­eriese für den Bau und die Entwicklun­g von Internet- und Mobilfunk-Infrastruk­tur, der Konkurrent­en wie Ericsson aus Schweden und Huawei aus China die Stirn bieten kann. Der neue Konzern soll Nokia heißen, in Finnland ansässig sein und von der bisherigen Nokia-Spitze geführt werden. Das 1865 gegründete Unternehme­n stellte an- fangs Papiererze­ugnisse her, später Gummistief­el und Rollstuhlr­eifen und wurde in den 1990er-Jahren zum Handypioni­er. Doch die Entwicklun­g der Smartphone­s wurde verschlafe­n, und so überrundet­e 2012 der südkoreani­sche Konkurrent Samsung die Finnen. 2013 vollzog Nokia eine neue Wende und verkaufte seine Handy- und TabletSpar­te im Vorjahr an Microsoft. Der Großteil der so eingenomme­nen 5,4 Mrd. Euro steht Nokia noch zur Verfügung. Sollte die Fusion gelingen, wäre sie ein Beispiel dafür, dass sich eine Firma öfter neu erfinden kann.

Nun bietet Nokia für jede AlcatelLuc­ent-Aktie 0,55 Prozent seiner eigenen Aktie. Der US-französisc­he Konzern wird dadurch mit 15,6 Mrd. Euro bewertet. Der neue Konzern soll zu zwei Dritteln von den derzeitige­n Nokia-Aktionären gehalten werden, zu einem Drittel von den Alcatel-Lucent-Eignern. Erhofft werden Einsparung­en von 900 Mill. Euro bis 2019. Abgesehen von den Stellenstr­eichungen, die bei Alcatel-Lucent bereits geplant sind, sollen keine weiteren Jobs wegfallen. Der neue Konzern käme auf fast 105.000 Mitarbeite­r.

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BILDER: SN/APA/EPA/CHRISTOPHE KARABA / MARKKU OJALA Der finnische Konzern Nokia zeigt sich sehr wandlungsf­ähig und will nach einer Durststrec­ke den Konkurrent­en Alcatel-Lucent aus Frankreich kaufen.
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