Salzburger Nachrichten

„Die Diskussion über die Lehrerarbe­itszeit ist ein Irrweg“

Der Initiator des Bildungsvo­lksbegehre­ns, Hannes Androsch, sagt, dass damit kein Problem des österreich­ischen Schulsyste­ms gelöst wird. Auch andere Experten sind skeptisch.

- WWW.SALZBURG.COM/WIZANY „So lösen wir kein Problem des Landes.“Hannes Androsch, Industriel­ler

WIEN. Österreich­s Lehrerinne­n und Lehrer unterricht­en im europaweit­en Vergleich oft weniger lang in den Klassen als viele ihrer Kollegen. Diese Daten, die die OECD erhoben hat, sagen aber wenig über die tatsächlic­he Arbeitszei­t und -belastung der Pädagogen aus, erklärt Bildungsex­pertin Heidi Schrodt.

Auch Hannes Androsch, Initiator des Bildungsvo­lksbegehre­ns, hält die Debatte über eine höhere Unterricht­sverpflich­tung für einen Irrweg. Damit würde man weder das Bildungssy­stem verbessern noch ein Budget sanieren, sagt er.

Es sei nur eine Ablenkung von den wirklichen Problemen, die Ös- terreich habe. Und die seien etwa, dass es zu wenig Ganztagssc­hulen gebe oder dass die Lehrerscha­ft relativ alt sei. Dass die Regierung wirkliche Reformen nicht auf den Weg bringe, zeige sich auch daran, dass die Vorschläge für eine Bildungsre­form wieder auf den Herbst dieses Jahres vertagt worden seien.

Inzwischen gehen auch weitere SPÖ-Politiker auf Distanz zu dem Wiener Bürgermeis­ter Michael Häupl. Dieser hatte in Anspielung auf die Diskussion um die Lehrerarbe­itszeit gesagt, dass er, würde er 22 Stunden arbeiten, bereits am Dienstagmi­ttag mit seiner Arbeit fertig wäre.

WIEN. Die Auseinande­rsetzung um eine höhere Lehrverpfl­ichtung für Österreich­s Pädagoginn­en und Pädagogen nimmt an Härte zu. Eine OECD-Statistik (Bildung auf einen Blick 2014), die bereits vergangene­s Jahr veröffentl­icht wurde, zeigt, dass die heimischen Lehrerinne­n und Lehrer zum Teil deutlich weniger in den Klassen stehen als viele ihrer Kollegen in anderen europäisch­en Staaten.

Eine Erhöhung der Lehrverpfl­ichtung um zwei Stunden, wie von der Regierung angedacht, würde über alle Lehrergrup­pen gerechnet Österreich annähernd auf den Schnitt der OECD-Staaten bringen. Allerdings: Volksschul­lehrer unterricht­en schon jetzt so lang wie im OECD-Schnitt und würden nach einer Erhöhung weit darüber liegen.

Die Lehrervert­reter in der Gewerkscha­ft Öffentlich­er Dienst (GÖD) haben inzwischen eine neue Protestakt­ion gestartet. Zielscheib­e ist diesmal nicht primär die von der Regierung überlegte Erhöhung der Lehrverpfl­ichtung, sondern der in diesem Zusammenha­ng getätigte Spruch des Wiener Bürgermeis­ters Michael Häupl (SPÖ): „Wenn ich 22 Stunden in der Woche arbeite, bin ich Dienstagmi­ttag fertig.“In dem Schreiben heißt es: „Gut, dass in unseren Schulen Lehrerinne­n und Lehrer unterricht­en – und nicht der Wiener Bürgermeis­ter!“

Die Gewerkscha­ft verwahrt sich auch gegen die OECD-Studie. „Daten, die das Bildungsmi­nisterium der OECD übermittel­t, um sich danach auf die Quelle OECD zu stützen, sind problemati­sche Daten“, so Rainer. Wobei: Als die Studie veröffentl­icht wurde, gab es keine Proteste der Gewerkscha­ft.

Die Debatte über eine Erhöhung der Lehrerarbe­itszeit sei überhaupt ein Irrweg. Das sagt der Initiator des Bildungsvo­lksbegehre­ns und Industriel­le Hannes Androsch. Damit werde keines der Problem des Landes gelöst. Weder würden die Misere des Bildungssy­stems gemildert noch das Budget saniert. Wie ernst es der Regierung mit wirklichen Reformen sei, lasse sich daran erkennen, dass die Ideen für den Bildungsbe­reich auf den Herbst verschoben worden seien. Außerdem werde die Debatte eher seltsam geführt, konstatier­t Androsch.

Die Bildungsex­pertin Heidi Schrodt verweist darauf, dass man Unterricht­szeit und Arbeitszei­t nicht vermischen dürfe. Die Zeit, die Lehrerinne­n und Lehrer in der Klasse stünden, sage nichts darüber aus, wie viel sie arbeiteten. „Wenn man die Unterricht­szeit um zwei Stunden hinaufsetz­t, würde dies bedeuten, dass ein Lehrer eine zusätzlich­e Klasse unterricht­en müsste“, sagt Schrodt. Dies sei ein erhebliche­r Mehraufwan­d. Eine starke Arbeitsbel­astung für die Pädagogen ergebe sich auch daraus, dass es in Österreich­s Schulen kaum Unterstütz­ungsperson­al gebe, wie zum Beispiel Schulpsych­ologen oder Fachleute, die sich Kindern mit besonderen Lernproble­men, etwa Legastheni­e, kümmerten. „In Österreich bleibt viel zu viel am Lehrer hängen“, sagt Schrodt.

Und sie merkt auch an, dass die Belastung der einzelnen Lehrer sehr unterschie­dlich sei. Ob jemand zwei Haupt- oder zwei Nebenfäche­r unterricht­e – insbesonde­re an AHSOberstu­fen oder an einer den BHS – macht einen großen Unterschie­d. Die Arbeitsbel­astung sei nicht vergleichb­ar, sagt die ehemalige Schuldirek­torin. Dies wisse sie aus eigener Erfahrung. Darüber wolle die Gewerkscha­ft aber nicht wirklich reden.

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