Frauenkleider verstören im Oratorium
Zeugen üppiger Feste und ausgelassener Erotik nähern sich Andachtsräumen des Doms.
Frivole Lust- und Lebenszeichen sind in Gebetsräume eingezogen. Seidenkleider erotischer Frauen besiedeln nun Räume, die einst dem Fürsterzbischof und seinem Hof oder der Kaiserin Karoline Auguste zum Messhören vorbehalten waren. Denn im Nordoratorium des Salzburger Doms sind ab heute, Freitag, Kleider von Buhlschaften des „Jedermann“der Salzburger Festspiele zu besichtigen.
Das älteste ist aus fuchsiafarbenem Taft mit Organza-Rüschen, das Sunnyi Melles 1990 getragen hat.
Das jüngste ist aus rotem CrêpeSatin und Mousseline. Damit hätte Brigitte Hobmeier im Vorjahr über den Domplatz wirbeln sollen. Doch den Schwung bekam es nicht aus Körperdrehungen, sondern nur aus dem Handgelenk seiner Trägerin, da diese mit gebrochenem Mittelfußknochen und größter Vorsicht auftreten musste. Mit diesem Kleid, dessen 32-Meter-Saum nun ein Ventilator flattern lässt, beginnt die Ausstellung, die sich zur nächsten Sommerschau der Residenzgalerie fügt: „Verführung – verlockende Schönheit, tödlicher Reiz“.
In Hugo von Hofmannsthals „Jedermann“gehe es um Leben und Sterben des reichen Mannes, erläutert Dorothea Nicolai, Direktorin für Kostüm und Maske der Salzburger Festspiele. „Das Leben ist die Buhlschaft, das Sterben ist der Tod.“Dieses Leben als Sinnenfreude komme in den Kleidern zum Ausdruck, die „alle Vorzüge der Frau zur Geltung bringen sollen“.
Raffinierte Details haben Kostümbildnerinnen wie Moidele Bickel, Marlene Poley oder Olivera Gajic ersonnen und die Werkstätten der Salzburger Festspiele realisiert: Roben aus herrlichsten Seiden, inspiriert von Moden in Renaissance und Barock. Die Ärmel von Dörte Lyssewski sind mit Granatapfelmustern bedruckt. Veronika Ferres hatte Blumenranken aus Silberspitze um die Schultern. Birgit Minichmayr bekam plissierte Seidenmousseline ans Dekolleté. Die Kante von Nina Hoss’ Schuhen sei mit einer „Beserl-Borte“verziert, schildert Dorothea Nicolai. Dies sei von Priester-Soutanen abgeschaut, deren Säume mit kunstvoll gefranstem Rand geschützt gewesen seien.
Die Säume der Buhlschaftsroben hingegen sind strapaziert. „Dies sind keine Abendkleider, die sind für Theaterbretter“, sagt Dorothea Nicolai. „Schauen Sie, wie sich der Theaterstaub in die Säume frisst!“
Passt dies alles ins Nordoratorium des Doms? Ein Oratorium ist eigentlich ein Gebetsraum, und so eine Empore eines Doms könnte für Kirchenbesucher hohen Standes typisch gewesen sein. Der letzte Raum, das Rupertoratorium, dürfte mangels Hauskapelle in der Residenz von Erzbischöfen und Kaiserin Karoline Auguste für Messen genutzt worden sein; von 1825 bis 1918 kam das Domkapitel hier zusammen, um den Erzbischof zu wählen.
Ab heute, Freitag, wird im Rupertoratorium gefeiert, gezecht und geschmust, zugleich wird wie eh und je getauft, getrauert und verherrlicht. Da küsst Peter Simonischek als Jedermann eine seiner vier Buhlschaften ausgiebig; schräg über ihm fährt der fromme heilige Rupert in den Himmel. Denn: Auf einem Flachbildschirm läuft ein Video von Szenen mit Buhlschaften, deren Kleider ausgestellt sind; und auf Wänden, Decke und am Altar sind Szenen aus dem Leben des heiligen Rupert abgebildet. In beiden Zyklen geht es um Leben und Sterben. Beide thematisieren Glaube und Frömmigkeit. Auch im RupertZyklus geht es um Götzenbilder, auch im Video ertönen Fragen wie „Hast deinen Schöpfer ganz verges- sen?“Noch etwas passt erstaunlich gut: Arsenio Mascagnis satte Farben leuchten so prachtvoll wie die Seiden der Buhlschaften. Neben Gelb, Rot und Orange sind in Mascagnis Bildern sogar Rosatöne zu finden – im Gewand des Bischofs, der den Bayernherzog Theodo tauft, sowie bei den Engeln, die Ruperts Himmelfahrt befördern. Ein Kontrast ist so krass, dass es sich gut zueinander fügt: Mascagnis Bilder zeigen nur Männer, die neue Ausstellung ist nur Frauen gewidmet.
Ausstellung: