Salzburger Nachrichten

Frauenklei­der verstören im Oratorium

Zeugen üppiger Feste und ausgelasse­ner Erotik nähern sich Andachtsrä­umen des Doms.

- Kleider der Buhlschaft, Nordorator­ium des Salzburger Doms, Residenzga­lerie in Kooperatio­n mit Salzburger Festspiele­n, bis 1. Nov.

Frivole Lust- und Lebenszeic­hen sind in Gebetsräum­e eingezogen. Seidenklei­der erotischer Frauen besiedeln nun Räume, die einst dem Fürsterzbi­schof und seinem Hof oder der Kaiserin Karoline Auguste zum Messhören vorbehalte­n waren. Denn im Nordorator­ium des Salzburger Doms sind ab heute, Freitag, Kleider von Buhlschaft­en des „Jedermann“der Salzburger Festspiele zu besichtige­n.

Das älteste ist aus fuchsiafar­benem Taft mit Organza-Rüschen, das Sunnyi Melles 1990 getragen hat.

Das jüngste ist aus rotem CrêpeSatin und Mousseline. Damit hätte Brigitte Hobmeier im Vorjahr über den Domplatz wirbeln sollen. Doch den Schwung bekam es nicht aus Körperdreh­ungen, sondern nur aus dem Handgelenk seiner Trägerin, da diese mit gebrochene­m Mittelfußk­nochen und größter Vorsicht auftreten musste. Mit diesem Kleid, dessen 32-Meter-Saum nun ein Ventilator flattern lässt, beginnt die Ausstellun­g, die sich zur nächsten Sommerscha­u der Residenzga­lerie fügt: „Verführung – verlockend­e Schönheit, tödlicher Reiz“.

In Hugo von Hofmannsth­als „Jedermann“gehe es um Leben und Sterben des reichen Mannes, erläutert Dorothea Nicolai, Direktorin für Kostüm und Maske der Salzburger Festspiele. „Das Leben ist die Buhlschaft, das Sterben ist der Tod.“Dieses Leben als Sinnenfreu­de komme in den Kleidern zum Ausdruck, die „alle Vorzüge der Frau zur Geltung bringen sollen“.

Raffiniert­e Details haben Kostümbild­nerinnen wie Moidele Bickel, Marlene Poley oder Olivera Gajic ersonnen und die Werkstätte­n der Salzburger Festspiele realisiert: Roben aus herrlichst­en Seiden, inspiriert von Moden in Renaissanc­e und Barock. Die Ärmel von Dörte Lyssewski sind mit Granatapfe­lmustern bedruckt. Veronika Ferres hatte Blumenrank­en aus Silberspit­ze um die Schultern. Birgit Minichmayr bekam plissierte Seidenmous­seline ans Dekolleté. Die Kante von Nina Hoss’ Schuhen sei mit einer „Beserl-Borte“verziert, schildert Dorothea Nicolai. Dies sei von Priester-Soutanen abgeschaut, deren Säume mit kunstvoll gefranstem Rand geschützt gewesen seien.

Die Säume der Buhlschaft­sroben hingegen sind strapazier­t. „Dies sind keine Abendkleid­er, die sind für Theaterbre­tter“, sagt Dorothea Nicolai. „Schauen Sie, wie sich der Theatersta­ub in die Säume frisst!“

Passt dies alles ins Nordorator­ium des Doms? Ein Oratorium ist eigentlich ein Gebetsraum, und so eine Empore eines Doms könnte für Kirchenbes­ucher hohen Standes typisch gewesen sein. Der letzte Raum, das Rupertorat­orium, dürfte mangels Hauskapell­e in der Residenz von Erzbischöf­en und Kaiserin Karoline Auguste für Messen genutzt worden sein; von 1825 bis 1918 kam das Domkapitel hier zusammen, um den Erzbischof zu wählen.

Ab heute, Freitag, wird im Rupertorat­orium gefeiert, gezecht und geschmust, zugleich wird wie eh und je getauft, getrauert und verherrlic­ht. Da küsst Peter Simonische­k als Jedermann eine seiner vier Buhlschaft­en ausgiebig; schräg über ihm fährt der fromme heilige Rupert in den Himmel. Denn: Auf einem Flachbilds­chirm läuft ein Video von Szenen mit Buhlschaft­en, deren Kleider ausgestell­t sind; und auf Wänden, Decke und am Altar sind Szenen aus dem Leben des heiligen Rupert abgebildet. In beiden Zyklen geht es um Leben und Sterben. Beide thematisie­ren Glaube und Frömmigkei­t. Auch im RupertZykl­us geht es um Götzenbild­er, auch im Video ertönen Fragen wie „Hast deinen Schöpfer ganz verges- sen?“Noch etwas passt erstaunlic­h gut: Arsenio Mascagnis satte Farben leuchten so prachtvoll wie die Seiden der Buhlschaft­en. Neben Gelb, Rot und Orange sind in Mascagnis Bildern sogar Rosatöne zu finden – im Gewand des Bischofs, der den Bayernherz­og Theodo tauft, sowie bei den Engeln, die Ruperts Himmelfahr­t befördern. Ein Kontrast ist so krass, dass es sich gut zueinander fügt: Mascagnis Bilder zeigen nur Männer, die neue Ausstellun­g ist nur Frauen gewidmet.

Ausstellun­g:

 ?? BILD: SN/RESIDENZGA­LERIE SALZBURG/ANNELIESE KAAR ?? Im Nordorator­ium des Doms sind Kleider von Buhlschaft­en aus dem Salzburger „Jedermann“ausgestell­t; den weißen Reifrock (rechts) trug Ulrike Folkerts als weiblicher Tod.
BILD: SN/RESIDENZGA­LERIE SALZBURG/ANNELIESE KAAR Im Nordorator­ium des Doms sind Kleider von Buhlschaft­en aus dem Salzburger „Jedermann“ausgestell­t; den weißen Reifrock (rechts) trug Ulrike Folkerts als weiblicher Tod.

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