„Wir brauchen flexiblere Arbeitszeiten“
Nirgendwohin kommen Ingenieure im Bosch-Konzern lieber als nach Wien. Der neue Chef für Österreich und Mittelosteuropa muss dennoch das Profil schärfen, damit Österreich im Weltkonzern bestehen kann.
Klaus Peter Fouquet ist seit wenigen Tagen neuer Chef für Bosch in Österreich und zudem für 14 weitere Länder in Mittelosteuropa zuständig. Das sind zehn Prozent des weltweiten Umsatzes von Bosch, 24.000 Mitarbeiter, 53 Standorte und fünf Milliarden Euro Umsatz. Für den Standort Österreich sieht der erfahrene Manager eine gute Zukunft beim weltgrößten Automobilzulieferer. Warum, erklärt er in seinem ersten Interview in Österreich. SN: Sie waren zuletzt für Bosch in Großbritannien zuständig. Welche Unterschiede sehen Sie zwischen London und Wien? Fouquet: Die Österreicher sind ja eher wie die Deutschen. Sie sind ernsthafter als die Deutschen, das aber noch viel stärker im Vergleich zu den Briten. In Großbritannien wird der Humor sehr geschätzt. Da muss ich mich wieder umstellen, ich darf jetzt nicht unbedarft Witze machen, wo sie nicht hinpassen. Und es fällt auf, dass in Österreich der Titel sehr wichtig ist. Die Marke Bosch ist übrigens in England noch stärker als in Österreich. Auf der kleinen Insel waren wir letztes Jahr vom Umsatz her der fünftgrößte Markt im Bosch-Konzern. In Österreich sind wir Nummer zwölf. SN: Alle reden von der neuen Mobilität, die elektrisch und vernetzt stattfinden soll. Wie wird Bosch in Österreich hier profitieren können? Die Elektrifizierung und die Vernetzung des Fahrzeugs mit der Umwelt und mit anderen Fahrzeugen wird kommen. Hier in Wien arbeiten unsere Entwickler an Steuerungen für Hybrid- und Elektrofahrzeuge, neben dem großen Bereich Diesel und Benzin. Und wir investieren stark in die Fahrerassistenz, das reicht von selbst einparkenden Fahrzeugen bis irgendwann zum autonom fahrenden Fahrzeug. In Österreich kümmern wir uns schwerpunktmäßig um Antriebsarten, wir sind da sehr diesellastig. Denn der Diesel hat im Bereich der kommerziellen Fahrzeuge über dreieinhalb Tonnen noch eine Riesenzukunft. Es gibt noch keine verlässliche Lösung für
In der EMV-Halle bei Bosch in Wien werden Tests zur elektromagnetischen Verträglichkeit gemacht.
Elektrifizierung. Der Diesel wird also noch lange gute Marktanteile haben und wachsen. In Linz investieren wir in Kapazitäten, da hier das weltweite Kompetenzzentrum für die Entwicklung von Nutzfahrzeuge-Injektoren ist. Im Pkw-Bereich kann man sich hingegen vorstellen, dass es in absehbarer Zeit zu einem Technologiewandel in Richtung Elektrifizierung kommt. Wir gehen davon aus, dass wir bis 2025 im Dieselgeschäft im Pkw-Bereich noch Wachstum haben. Wenn es bei der Batterietechnologie einen Durchbruch geben sollte, kann es auch schneller gehen. SN: Sie sagten bei Ihrem Antritt, das Profil des Standortes Österreich müsse weiter geschärft und die führende Rolle Österreichs im Konzern gefestigt werden. Was meinten Sie damit? Was wir hier in Österreich tun, ist stark automotiv geprägt. Wir haben hier erfolgreiche Entwicklungs- standorte, etwa Wien und Linz. Da sind wir wettbewerbsfähig, weil wir hier Zugriff auf exzellente Mitarbeiter haben. Wir haben die Erfahrung gemacht: Ingenieure, die man haben will, bekommt man leichter an attraktiven Standorten als an der Peripherie. Es gibt bei Bosch kaum einen attraktiveren Standort für Ingenieure als Wien. Damit sind wir wettbewerbsfähiger als etwa am Standort Deutschland. Wir haben hier Universitäten, Fachhochschulen und HTL. Vor allem die HTL sind einzigartig. Wir können hier sehr junge Mitarbeiter gezielt zu unseren Fachleuten entwickeln. Das heißt, wir wollen den Entwicklungsstandort weiter stärken und möglicherweise vergrößern. Wir haben auch Fertigung in Österreich. Die Entwicklung in Hallein wird zeigen, dass wir auch in der Fertigung wettbewerbsfähig sein können. SN: Wie kann Österreich da im Vergleich zu Ländern in Osteuropa mithalten? Das ist von Entwicklungen wie der der stärkeren Flexibilisierung der Arbeitszeit abhängig. Hier sind Anrainerländer wie etwa Ungarn eine Konkurrenz. Hier haben wir mittlerweile 13.500 Mitarbeiter, meist in der Fertigung. In Rumänien wächst die Belegschaft sehr stark. SN: Sind die Lohnkosten ein bestimmendes Thema? Das Lohnniveau ist nur einer von vielen Standortfaktoren. Wir werden in Hallein in den kommenden Jahren zweistellige Millionenbeträge in Produkt- und Prozessentwicklung, Maschinen und Ergonomie investieren und damit in die Wettbewerbsfähigkeit. Diese Investments müssen im Drei-Schicht-Betrieb genutzt werden, man muss daher flexibel im Einsatz der Mitarbeiter sein. Wir bräuchten beispielsweise negative Arbeitszeitkonten, um saisonale Schwankungen abzudecken, und brauchen hier die Unterstützung der Politik. SN: Können Sie ein Beispiel für Probleme mit der Arbeitszeitflexibilisierung nennen? In Bischofshofen haben wir bei der Fertigung von Industriekesseln durch die Marktschwäche in Russland rückläufige Auftragseingänge. Wir schmelzen die vorhandenen Arbeitszeitkonten derzeit ab. Mit Arbeitszeitkonten in beide Richtungen hätten wir mehr Spielraum. SN: Dass Bosch am Standort in Hallein Mitarbeiter abgebaut und Löhne gekürzt und im gleichen Atemzug neue Mitarbeiter gesucht hat, war schwer zu verstehen. Können Sie das erklären? Beim Großdieselgeschäft ist die Wachstumskurve nicht so gekommen wie erwartet, das konnten wir mit dem Verbleib der Fertigung der Abgasnachbehandlungssysteme in Hallein bis 2017 abfedern. Großdiesel ist ja nun ein weltweit tätiges eigenständiges Geschäft aus Hallein. Wir werden die Einkaufsfunktion in diesem Bereich weiter stärken. Dafür suchen wir derzeit zehn qualifizierte Mitarbeiter. In Summe werden etwa 50 Mitarbeiter in diesem Bereich tätig sein. Heute sind es rund 40, das wird eine schlagkräftige Truppe. SN: Wie schwierig ist es, nach solchen Einschnitten im Betrieb eine Stimmung herzustellen, dass gute Arbeit möglich ist? Schwierig ist so etwas immer. Aber wir versuchen, den Bosch-Weg zu gehen, und beobachten, dass sich dabei ein neuer Geist der Gemeinsamkeit entwickelt. SN: Welche Rolle spielen Österreich und die 14 Länder, für die Sie zuständig sind, im Bosch-Konzern? Österreich spielt hier eine große Rolle. Wenn man überlegt, wo man eine Fertigung ansiedelt, ist die Tendenz aber schon in Richtung Osten. In Ungarn müssen wir uns sehr anstrengen, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. In Rumänien findet man sehr gut qualifizierte Mitarbeiter, die hoch motiviert sind. Wir haben ein Service-Center in Temeswar aufgebaut, wo wir 600 Mitarbeiter haben, die weltweit für Bosch Serviceleistungen anbieten. Dort sind 14 Sprachen präsent, so etwas ist in Rumänien möglich. Das Thema Mobilität ist in Österreich ein Problem. In den neuen Märkten wie Polen oder Ungarn ist die Mobilitätsbereitschaft größer.
Klaus Peter Fouquet