Salzburger Nachrichten

Ein Nein als erster Baustein für eine größere Zukunftsvi­sion

Nein zu sagen ist unpopulär, jedoch mitunter das einzig Richtige: Einkaufsze­ntren sind nicht Teil des Zukunftsbi­ldes.

- Gertraud Leimüller leitet ein Unternehme­n für Innovation­sberatung in Wien und ist stv. Vorsitzend­e der creativ wirtschaft austria. WWW.SALZBURG.COM/GEWAGTGEWO­NNEN

Mariana Mazzucato hat viel Wirbel ausgelöst: Die britische Ökonomin schrieb ein Buch namens „Das Kapital des Staates“. Seine Kernthese: Der Staat treibt Innovation­en wesentlich stärker als gemeinhin angenommen. Als Beweis führt Mazzucato unter anderem das iPhone von Apple an: Für alle Teile und Technologi­en, aus denen es zusammenge­baut wird, ob GPS, Touchscree­n oder Siri, gab es zuvor massive staatliche Forschung.

Der Staat kann, ja muss gestalten. Der Zeitgeist sagt, dass die Wirtschaft alles diktiere und die Politik machtlos sei. Bloß: Sie hat sich selbst entmachtet. Wir hatten als einzelne Menschen noch nie so viele Freiheiten und Auswahl, da braucht es Ziele und klare Rahmenbedi­ngungen. Wohin geht die Reise in der Region, im Land, in Europa? Nein zu sagen ist nie populär. Doch der Erweiterun­gsstopp der Salzburger Landesregi­erung für Einkaufsze­ntren ein gutes Signal, dass die Politik das Heft nicht aus der Hand gibt. Lasst uns spinnen: Könnte er nicht der erste Baustein für eine größere Salzburger Vision sein, ein einzigarti­ges Zukunftspr­ofil? In dem es nicht um Verhindern, sondern Ermögliche­n geht?

Wir leben nicht in Singapur oder Mumbai, wo sich Menschen in die Kühle eines Einkaufsze­ntrums flüchten, um von Hitze, Luftfeucht­igkeit und Smog zu fliehen. Wir sind nicht die jordanisch­e Hauptstadt Amman, wo sich Familien mit ihren Kindern in den künstliche­n Indoor-Spielwelte­n der Einkaufsze­ntren die Zeit vertreiben. Bei uns gibt es überall Inspiratio­n, das großartige Spielgerät Natur, abwechslun­gsreiche Landschaft­en, Dorf- und Stadtzentr­en. Shoppen wird künftig ohnehin auf allen Kanälen gleichzeit­ig möglich sein, unterwegs am Smartphone, vor dem PC, im Geschäft. Einkaufsze­ntren verlieren dadurch ihre Magie, außer sie schaffen es, sich komplett zu wandeln.

Eine zunehmend digitale, materiell völlig übersättig­te Gesellscha­ft sehnt sich nach neuen Treffpunkt­en, Orten des Verweilens, des Staunens und des handwerkli­chen Tuns, wie sie früher in belebten Stadtzentr­en zu finden waren. Warum bringt man nicht kleine Einkaufsze­ntren neuen Typs wie das Bikini Berlin mitten in die Stadt, wo junge Unternehme­n, ob Kreative oder Handwerker, ihre Auslage haben? Genau dazu braucht es neue Rahmenbedi­ngungen. Und Mut für Unorthodox­es.

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Gertraud Leimüller

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