Populismus auf dem Rücken der Kinder
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Häupl!
Gab es in Ihrer Schulzeit Lehrerinnen oder Lehrer, die stets unvorbereitet in die Klasse kamen, nie Hausübungen, Tests oder Schularbeiten korrigierten, keine Exkursionen machten, nie bei Konferenzen waren und sich nie fortbildeten? Ich kann das kaum glauben. Aber was sonst könnte erklären, dass Sie öffentlich die völlig irrige Meinung vertreten, Lehrende würden nur 22 Stunden arbeiten?
Ich rechne Ihnen gern vor, wie ich als AHS-Lehrer locker auf die gleiche Jahresarbeitszeit wie andere Angestellte komme – die unentgeltlichen Zusatzdienste, die Schulen erst attraktiv machen, noch nicht eingerechnet. Natürlich wäre es für uns Lehrende grundsätzlich möglich, länger zu unterrichten. Natürlich gibt es auch in diesem Beruf Drückeberger. Aber der weitaus überwiegende Teil der Lehrkräfte verausgabt sich und engagiert sich. Gehen Sie doch einmal in eine Schule und überzeugen Sie sich selbst! Daher gibt es de facto kaum Spielraum für Mehrbelastungen. Von unserer Zeit und Energie bliebe für einzelne Schüler ganz einfach weniger übrig. Nämlich zehn Prozent weniger – so viel, wie die vorgeschlagene Stundenerhöhung ausmacht. Als Sozialdemokrat sollten Sie allerdings wissen, dass die „Ressource“Mensch nicht beliebig ausbeutbar ist.
Und dass schlechtere Arbeitsbedingungen in der Regel nicht zu mehr, sondern zu weniger Qualität führen. Zehn Prozent weniger Zeit für Fördermaßnahmen, für Projekte, für Korrekturen, für Gespräche mit Schülern: Kann es das sein, was Sie wollen?
Wer solches befürwortet, wird die Verantwortung für die Folgen übernehmen müssen. Sie betreiben Populismus auf dem Rücken der Kinder. Mag. Markus Kerschbaumer