Salzburger Nachrichten

Notar bremst dunkle Machenscha­ften

„Wir sind Türhüter gegen Geldwäsche und organisier­te Kriminalit­ät“, sagt Präsident Ludwig Bittner. Heute starten in Salzburg die 27. Europäisch­en Notarentag­e. Tenor: Lieber vorsorgen als nachher prozessier­en.

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Seit 1989 finden die Europäisch­en Notarentag­e in Salzburg statt. Es ist dies die wichtigste Fachverans­taltung des europäisch­en Notariats. Morgen, Freitag, werden zum 27. Mal im Salzburg Congress die Arbeitssit­zungen mit 200 Teilnehmer­n eröffnet. Im Mittelpunk­t steht das Thema: „Wert plus Mehrwert. Für Mensch und Wirtschaft. Vorsorgend­e Rechtspfle­ge in Europa.“Die SN sprachen darüber mit dem Präsidente­n der Österreich­ischen Notariatsk­ammer, Ludwig Bittner. SN: Ein nicht eingeweiht­er Beobachter könnte sich fragen: Was meinen die Notare, wenn sie programmat­isch den „Mehrwert der vorsorgend­en Rechtspfle­ge für die Gesellscha­ft“in das Zentrum der Europäisch­en Notarentag­e stellen? Bittner: Recht ist eingebunde­n in Wirtschaft, in die Abwicklung von wirtschaft­lichen Vorgängen, Recht hat eine ökonomisch­e Funktion: Man kann ein System günstiger oder ungünstige­r gestalten, für den Bürger und für den Unternehme­r. Das Notariat beschäftig­t sich massiv auf europäisch­er und nationaler Ebene mit Rechtsökon­omie, mit der Stellung der notarielle­n Beurkundun­gstätigkei­t im Justizsyst­em und deren Auswirkung­en.

Wissenscha­ftliche Studien haben für diese Tätigkeit einen sehr großen Mehrwert ergeben. Die Beurkundun­g vorweg statt des Streits nachher wirkt sich positiv aus. Zum Vergleich das britische „Common Law“: Die Kosten der Rechtsdien­stleistung­en in Österreich pro Kopf betragen jährlich weniger als die Hälfte von jenen in Großbritan­nien. SN: Ein weiteres Tagungsthe­ma: Wie kommen Österreich­er, die in einem anderen EU-Land arbeiten, leben, heiraten oder grenzübers­chreitende Geschäfte tätigen, am günstigste­n und effiziente­sten zu ihrem Recht? Wo kann der Notar helfen? Es gilt, rechtlich unterschie­dlichen Rahmenbedi­ngungen zu entspreche­n. Man denke etwa an das Ehegüterre­cht – dort ist es besonders krass. Das gilt aber auch für den Bereich des Erbrechts aufgrund der neuen Erbrechtsv­erordnung. Der Notar hat auch wichtige Funktionen bei der Testaments­errichtung, beim Liegenscha­ftsrecht und beim Gesellscha­ftsrecht. SN: Im Tagungspro­gramm ist auch vom „Notar als Gatekeeper gegen Geldwäsche, gegen organisier­te Kriminalit­ät, gegen Sozialbetr­ug und Steuerhint­erziehung“die Rede. Der Notar als Türwächter – was ist damit konkret gemeint? Wir leben diese Gatekeeper-Funktion bereits. In jenen Fällen, wo notarielle Beurkundun­g vorgeschri­e- ben ist, gibt es praktisch keine Geldwäsche­fälle, weil der Notar ja alles prüfen muss und anderersei­ts meldepflic­htig ist. Daher scheuen jene, die so etwas im Schilde führen, den Notar. Ein Beispiel: Gründe ich eine Gesellscha­ft z. B. in Kasachstan im Internet, dann erspare ich mir die Prüfung und muss niemanden fürchten. Wenn es also an einer notarielle­n Prüfung fehlt, kann man sehr leicht das System für solche Zwecke benützen. Wenn es eine notarielle Prüfung und Meldepflic­ht gibt, werden sich das gewisse Personen überlegen und erst gar nicht erscheinen. SN: Auch beim Notar kann man für den Fall, dass man in späterer Zeit gewisse ärztliche Behandlung­smethoden ausschließ­en will, eine „Patientenv­erfügung“errichten, ebenso eine „Vorsorgevo­llmacht“zur Regelung rechtliche­r und finanziell­er Dinge durch eine Vertrauens­person. Doch die Österreich­er nehmen diese Möglichkei­ten nicht recht an. Sieht das Notariat Möglichkei­ten, hier für mehr Attraktivi­tät zu sorgen? Wir haben zuletzt versucht, beide Themen bei einer parlamenta­rischen Enquete zu propagiere­n. Ich glaube, das ist auch gelungen. Wir haben eine flächendec­kende Vorgangswe­ise geplant, über die Pensionist­enorganisa­tionen, über Fach- tagungen und bei Vorträgen vor Seniorengr­uppen in Krankenhäu­sern.

Es ist wenig bekannt, dass auch eine Vorsorgevo­llmacht die Vorsorge für medizinisc­he Behandlung umfassen kann. Bei der Patientenv­erfügung ist das schwierige­r: Dort muss eine Prognose gestellt werden. Soll daraus eine „verbindlic­he“Verfügung entstehen, setzt dies voraus, dass man eine bestimmte schwere Krankheit schon hat. Sonst kann die Verfügung nur „beachtlich“sein.

Die Vorsorgevo­llmacht hat den Vorteil, dass ein naher Angehörige­r, dem der Betroffene vertraut, diese medizinisc­hen Verfügunge­n selbst treffen kann. Da kann man besser organisier­t handeln. SN: Patientenv­erfügung und Vorsorgevo­llmacht werden in einem Notariatsr­egister aufbewahrt. Wie viele sind es derzeit? Wir halten derzeit bei etwa 50.000 Vorsorgevo­llmachten und 13.000 Patientenv­erfügungen. SN: Stimmt es, dass die Österreich­er bei Testaments­errichtung­en eher säumig sind? Von England sagt man: Dort stirbt niemand ohne Testament, außer ein Bettler. Die österreich­ische Seele, vor allem die männliche, neigt dazu, dies etwas aufzuschie­ben, aber meistens doch noch rechtzeiti­g in den Griff zu bekommen.

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BI L D: SN Präsident Ludwig Bittner.
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