Abschiebung: Polizei holte Kinder aus Schule
Ohne Ankündigung wurde jetzt eine siebenköpfige Familie aus dem Kosovo in ihre Heimat abgeschoben. Der Schock in der Schule sitzt tief.
OBERNDORF. Die Lehrer und Schüler der Volksschule in Oberndorf können noch immer nicht fassen, was sich Montag früh in der Schule abgespielt hat. „Es war schrecklich für die Beteiligten“, sagt Carmen Schätzer. „Alle haben Rotz und Wasser geweint.“
Die Sozialbetreuerin von der Arbeitsgruppe Asyl in Oberndorf kümmerte sich in den vergangenen Wochen um eine Familie mit fünf Kindern im Alter zwischen zwei und 13 Jahren, die im Februar aus dem Kosovo nach Österreich geflohen war. Familie Halili wurde in einer 57 Quadratmeter großen Wohnung der Gemeinde für Asylbewerber untergebracht.
Am Montag seien um 8.30 Uhr plötzlich zwei Polizeibeamte in Zivil in die Volksschule gekommen, um die neunjährige Arlinda und ihre zehnjährige Schwester Anita
Herkunftsländern, die als sicher gelten, ist die Chance auf Asyl gleich Null. Österreich stuft 40 Länder als sicher ein, darunter Albanien, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien, Montenegro und Serbien. Der Kosovo gilt seit 2009 als sicheres Herkunftsland. 2014 kam ein Zehntel der Asylbewerber aus den Balkanländern, die meisten davon aus dem Kosovo. abzuholen, schildert Schätzer. Ein weiterer Beamter habe unterdessen die 13-jährige Ardita aus der benachbarten Hauptschule geholt. „Niemand war informiert.“Sie selbst habe einen Anruf aus der Schule bekommen und sei dorthin geeilt. Die Beamten hätten die Direktorin aufgefordert, die Mädchen aus ihren Klassen zu holen. „Die Lehrer und Kinder waren überrumpelt.“Den Mädchen sei kaum Zeit geblieben, ihre Sachen zu packen und sich von den Klassenkameraden zu verabschieden. Für die Mitschüler sei die Situation sehr belastend gewesen. Die
die Zahl der Wirtschaftsflüchtlinge aus dem Kosovo sprunghaft. Im Jänner und Februar wurden je tausend Anträge gestellt. Im März waren es hundert Anträge, im April nur noch rund zehn Anträge.
Ländern haben nach einem negativen Asylbescheid die Möglichkeit zur freiwilligen Rückkehr. Bleiben sie ohne Aufenthaltsge- Beamten hätten zwar in der Direktion gewartet und seien höflich und verständnisvoll gewesen, „aber die ganze Situation war extrem bedrückend“.
Zuvor hätten sieben Beamte die Eltern sowie den vierjährigen Sohn Yuled und die zweijährige Tochter Artiola mit einem Bus von der Wohnung abgeholt und seien dann zur Schule gefahren.
Ihre Tochter sei am Montag verstört von der Volksschule nach Hause gekommen und habe erzählt, was in der 4c passiert sei, schildert eine Mutter. Die Neunjährige habe das so formuliert: „Mama, die Anita haben sie heute abgeholt, wir haben alle weinen nehmigung im Land, werden sie zwangsweise abgeschoben. Innenministerin Johanna MiklLeitner (ÖVP) plant eine Verschärfung des Fremdenrechts. Ihr Gesetzesentwurf sieht ab Juli u. a. Schnellverfahren vor, um Wirtschaftsflüchtlinge aus sicheren Ländern rasch nach Hause zu schicken. In gewissen Fällen besteht schon jetzt die Möglichkeit zu Schnellverfahren. Sie dauern im Schnitt 15 Tage. müssen, ich habe mich nicht verabschieden können.“Ihre Tochter denke ständig über den Vorfall nach. Die Lage der Familie aus dem Kosovo habe sie vom ersten Tag an beschäftigt. „Meine Tochter hat sich über die neue Mitschülerin gefreut und war glücklich, dass Anita zur Schule gehen kann.“Es sei unmenschlich, ein Kind derart aus einer Klassengemeinschaft herauszureißen. Für das Mädchen und für die Mitschüler sei das ein Schock. Man wolle versuchen, zumindest die Adresse der Familie im Kosovo in Erfahrung zu bringen, um einen Abschiedsbrief zu schreiben.
Am Montag wurde die Familie nach Wien gebracht, am Mittwoch wurde sie mit dem Flugzeug nach Pristina abgeschoben.
Die Familie habe bereits im März den negativen Asylbescheid bekommen, sagt Elhame Thaqi vom Verein für Menschenrechte, die die Familie rechtlich beraten hat. Schon mit diesem Bescheid sei festgestanden, dass die Familie in den Kosovo zurückkehren müsse, weil keine aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei. Die Familie habe dennoch beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde eingelegt. Vergeblich. Die Eltern hätten die Möglichkeit der freiwilligen Rückkehr nicht nut-
„ Auch bei den Mitschülern sind viele Tränen geflossen.“