Salzburger Nachrichten

Abschiebun­g: Polizei holte Kinder aus Schule

Ohne Ankündigun­g wurde jetzt eine siebenköpf­ige Familie aus dem Kosovo in ihre Heimat abgeschobe­n. Der Schock in der Schule sitzt tief.

- Für Menschen aus Anfang 2015 stieg Asylbewerb­er aus sicheren

OBERNDORF. Die Lehrer und Schüler der Volksschul­e in Oberndorf können noch immer nicht fassen, was sich Montag früh in der Schule abgespielt hat. „Es war schrecklic­h für die Beteiligte­n“, sagt Carmen Schätzer. „Alle haben Rotz und Wasser geweint.“

Die Sozialbetr­euerin von der Arbeitsgru­ppe Asyl in Oberndorf kümmerte sich in den vergangene­n Wochen um eine Familie mit fünf Kindern im Alter zwischen zwei und 13 Jahren, die im Februar aus dem Kosovo nach Österreich geflohen war. Familie Halili wurde in einer 57 Quadratmet­er großen Wohnung der Gemeinde für Asylbewerb­er untergebra­cht.

Am Montag seien um 8.30 Uhr plötzlich zwei Polizeibea­mte in Zivil in die Volksschul­e gekommen, um die neunjährig­e Arlinda und ihre zehnjährig­e Schwester Anita

Herkunftsl­ändern, die als sicher gelten, ist die Chance auf Asyl gleich Null. Österreich stuft 40 Länder als sicher ein, darunter Albanien, Bosnien und Herzegowin­a, Mazedonien, Montenegro und Serbien. Der Kosovo gilt seit 2009 als sicheres Herkunftsl­and. 2014 kam ein Zehntel der Asylbewerb­er aus den Balkanländ­ern, die meisten davon aus dem Kosovo. abzuholen, schildert Schätzer. Ein weiterer Beamter habe unterdesse­n die 13-jährige Ardita aus der benachbart­en Hauptschul­e geholt. „Niemand war informiert.“Sie selbst habe einen Anruf aus der Schule bekommen und sei dorthin geeilt. Die Beamten hätten die Direktorin aufgeforde­rt, die Mädchen aus ihren Klassen zu holen. „Die Lehrer und Kinder waren überrumpel­t.“Den Mädchen sei kaum Zeit geblieben, ihre Sachen zu packen und sich von den Klassenkam­eraden zu verabschie­den. Für die Mitschüler sei die Situation sehr belastend gewesen. Die

die Zahl der Wirtschaft­sflüchtlin­ge aus dem Kosovo sprunghaft. Im Jänner und Februar wurden je tausend Anträge gestellt. Im März waren es hundert Anträge, im April nur noch rund zehn Anträge.

Ländern haben nach einem negativen Asylbesche­id die Möglichkei­t zur freiwillig­en Rückkehr. Bleiben sie ohne Aufenthalt­sge- Beamten hätten zwar in der Direktion gewartet und seien höflich und verständni­svoll gewesen, „aber die ganze Situation war extrem bedrückend“.

Zuvor hätten sieben Beamte die Eltern sowie den vierjährig­en Sohn Yuled und die zweijährig­e Tochter Artiola mit einem Bus von der Wohnung abgeholt und seien dann zur Schule gefahren.

Ihre Tochter sei am Montag verstört von der Volksschul­e nach Hause gekommen und habe erzählt, was in der 4c passiert sei, schildert eine Mutter. Die Neunjährig­e habe das so formuliert: „Mama, die Anita haben sie heute abgeholt, wir haben alle weinen nehmigung im Land, werden sie zwangsweis­e abgeschobe­n. Innenminis­terin Johanna MiklLeitne­r (ÖVP) plant eine Verschärfu­ng des Fremdenrec­hts. Ihr Gesetzesen­twurf sieht ab Juli u. a. Schnellver­fahren vor, um Wirtschaft­sflüchtlin­ge aus sicheren Ländern rasch nach Hause zu schicken. In gewissen Fällen besteht schon jetzt die Möglichkei­t zu Schnellver­fahren. Sie dauern im Schnitt 15 Tage. müssen, ich habe mich nicht verabschie­den können.“Ihre Tochter denke ständig über den Vorfall nach. Die Lage der Familie aus dem Kosovo habe sie vom ersten Tag an beschäftig­t. „Meine Tochter hat sich über die neue Mitschüler­in gefreut und war glücklich, dass Anita zur Schule gehen kann.“Es sei unmenschli­ch, ein Kind derart aus einer Klassengem­einschaft herauszure­ißen. Für das Mädchen und für die Mitschüler sei das ein Schock. Man wolle versuchen, zumindest die Adresse der Familie im Kosovo in Erfahrung zu bringen, um einen Abschiedsb­rief zu schreiben.

Am Montag wurde die Familie nach Wien gebracht, am Mittwoch wurde sie mit dem Flugzeug nach Pristina abgeschobe­n.

Die Familie habe bereits im März den negativen Asylbesche­id bekommen, sagt Elhame Thaqi vom Verein für Menschenre­chte, die die Familie rechtlich beraten hat. Schon mit diesem Bescheid sei festgestan­den, dass die Familie in den Kosovo zurückkehr­en müsse, weil keine aufschiebe­nde Wirkung zuerkannt worden sei. Die Familie habe dennoch beim Bundesverw­altungsger­icht Beschwerde eingelegt. Vergeblich. Die Eltern hätten die Möglichkei­t der freiwillig­en Rückkehr nicht nut-

„ Auch bei den Mitschüler­n sind viele Tränen geflossen.“

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Sozialbetr­euerin
Carmen Schätzer, Sozialbetr­euerin

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