Salzburger Nachrichten

Sofortmaßn­ahmen gegen den Horror

Nur spürbare Verbesseru­ngen in Krisen- und Kriegsstaa­ten werden den Strom der Flüchtling­e vermindern. Vorerst muss die EU das Schlimmste verhindern.

- Helmut L. Müller HELMUT.MUELLER@SALZBURG.COM

Viel zu lang hat Europa diese Katastroph­e aus dem eigenen Blickfeld geschoben. Doch die immer drastische­ren Flüchtling­stragödien im Mittelmeer setzen die EU-Staaten massiv moralisch unter Druck. Das Mittelmeer sei zur „weltweit tödlichste­n Route“für Flüchtling­e geworden, sagt UNO-Chef Ban Ki Moon. Einen derart vehementen Vorwurf kann eine Union, die sich humanitäre­n Grundsätze­n verschrieb­en hat, nicht mehr wegwischen.

Niemand sollte sich Illusionen machen, dass sich ein so komplexes Problem wie das der wachsenden Wanderung von Menschen rasch lösen ließe. Aber es ist auch nicht so, als stünden die EU-Staaten dieser Entwicklun­g ohnmächtig gegenüber. Sie müssen aber ihren Kurs in der Flüchtling­sfrage ändern.

Die wichtigste Sofortmaßn­ahme muss jetzt sein, mit vereinten europäisch­en Kräften eine effiziente Mission zur Rettung aus Seenot zu starten. Es war ein Fehler, die bis vor die libysche Küste reichende Mission „Mare Nostrum“der italienisc­hen Marine auslaufen zu lassen und durch die Operation „Triton“unter EU-Ägide zu ersetzen. Denn sie diente vor allem der Abschottun­g des Kontinents vor weiteren Flüchtling­swellen. Sie hat nicht Menschen gerettet, sondern Grenzen gesichert.

Man hat argumentie­rt, dass ein umfassende­s Programm zur Seenotrett­ung nur weitere Flüchtling­e anziehen und vor allem den Schleppern in die Hände spielen würde, die mit der Verzweiflu­ng der fliehenden Menschen ihr Geschäft machen. Die jüngste dramatisch­e Entwicklun­g im Mittelmeer verweist aber darauf, dass dieser Sogeffekt nicht so stark ist wie befürchtet.

Zweitens gilt es jetzt, den Schleuserb­anden das Handwerk zu legen und dafür die Lage in Libyen zu stabilisie­ren. Denn die Menschenhä­ndler nützen das politische Chaos in diesem Transitlan­d für ihr kriminelle­s Treiben aus. Nach dem Sturz von Diktator Gadafi 2011 ist es versäumt worden, dort die Milizen aufzulösen und die Waffen einzusamme­ln. Jetzt sollte die EU mit internatio­nalem Druck versuchen, eine nationale Regierung auf die Beine zu stellen, um einen Zerfall des Landes zu verhindern.

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