Salzburger Nachrichten

Wenn Dichterfür­st und letzter Ritter kämpfen

Wie Häupl und Strache wirklich sind. Kleine Vorschau auf den Wiener Wahlkampf.

- Alexander Purger

Ein Kampf der Giganten verspricht die Landtagswa­hl in Wien zu werden. In der roten Ringecke der Titelverte­idiger Michael Häupl – ein Herkules, der laut eigenen Angaben in eineinhalb Tagen die Lehrerarbe­it einer ganzen Woche verrichtet. In der blauen Ringecke der Herausford­erer Heinz-Christian Strache – der Mann, der von sich selbst als dem „letzten Ritter des Abendlande­s“spricht.

Zwei starke Ansagen, von denen man jener Michael Häupls allerdings eine Idee mehr Glauben schenkt. Denn die Spuren seiner pädagogisc­hen Herkulesar­beit finden sich in der Bundeshaup­tstadt auf Schritt und Tritt. Seine volksbildn­erische Handschrif­t ist auf allen Wiener Mistkübeln zu finden, die mit einer dem klassische­n Bildungska­non entnommene­n Aufschrift feinsinnig an ihre Zweckwidmu­ng gemahnen: „Host an Tschick?“

Überhaupt geriet das Wiener Rathaus unter Michael Häupl zur versonnene­n Dichterkla­use. Lorbeerbek­ränzte Magistrats­beamte drechseln – ehe sie ins Elysium der Frühpensio­n entschwebe­n – die entzückend­sten Reime und feilen an himmlisch plätschern­den Wortgirlan­den. Kein Dante, kein Rilke, nein, der Wiener Magistrat hat der Welt den Satz „Im Summa samma in da City“geschenkt. Die Brillanz dieses Stabreims beeindruck­te die Rathausgew­altigen derart, dass sie das zarte poetische Gespinst jahrelang großformat­ig an allen Wiener Stadteinfa­hrten aufstellte­n.

Das ist die Handschrif­t eines großen, nimmermüde­n Lehrers. Was will dagegen ein Mann ausrichten, der von sich selbst sagt, der Letzte seines Geschlecht­s zu sein?

Wobei in Straches Selbstbesc­hreibung vielleicht versteckte Botschafte­n stecken. Als letzter Ritter gilt ja Kaiser Maximilian I., in dessen Nachfolge sich der FPÖ-Obmann nun stellt. Auch Maximilian war ein selbstbewu­sster Mann mit starkem Hang zur Selbstdars­tellung, der gern überall Bilder und Darstellun­gen von sich sah. So weit, so Strache.

Doch Maximilian hatte auch eine andere Seite. Um sich selbst an seine Vergänglic­hkeit zu erinnern, führte er auf Reisen stets einen Sarg mit sich (seine Sekretäre verstauten darin die Akten). Und in seinem Tiroler Schloss Tratzberg hinterließ der Habsburger-Kaiser folgende nachdenkli­che Inschrift: „Ich leb’, weiß nicht wie lang, und sterb’, weiß nicht wann, muss fahren, weiß nicht wohin, mich wundert, dass ich so fröhlich bin.“

Wer weiß, vielleicht wundert sich Strache auch manchmal über sich selbst? Der Poet und der Grüblerisc­he – wie gesagt: Es wird ein spannender Wiener Wahlkampf.

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