Salzburger Nachrichten

Vollrausch aus Amore in der Wanda-Welle

„Ans, zwa, drei, vier – es ist so schön mit dir.“Besser als Wanda selbst kann man das Konzert der neuen Helden in Salzburg nicht beschreibe­n.

- Marco Michael Wanda, Sänger

Wanda fallen über das Publikum her wie die erste Liebe. Bedingungs­los. Keine Rücksicht auf Verlust. Ein Rausch. Hals über Kopf. Liebe und Vollrausch – aus glückselig­er Trunkenhei­t ebenso wie danach aus verlassene­r Verzweiflu­ng –, die gehören zusammen. „Ans, zwa, drei, vier – es ist so schön mit dir“, singen die neuen Helden. Aber auch: „Auseinande­rgeh’n tut weh.“Liebendes Leben und der sichere Tod sind Geschwiste­r. In dieser einen Nacht, von der Wanda erzählen, schlafen sie miteinande­r.

Ein halbes Jahr nach dem Erscheinen des Debütalbum­s „Amore“hat diese Band schon ewige Sätze ins österreich­ische Kulturgut eingeschri­eben. Wie Peter Cornelius’ „Du entschuldi­ge, I kenn di“, Georg Danzers „Jö schau, so a Sau“oder Falcos „Drah di ned um“. Übersatz dieser Wanda-Sätze ist: „Wenn jemand fragt, wofür du stehst, sag für Amore, AMORE!“Dies ist die Grundphilo­sophie ihrer Musik: Überwältig­ung durch Zuneigung zelebriere­n sie – auch am Sonntag im Salzburger Rockhouse.

Sie tanzen so ausgelasse­n, als könnten sie ihr Glück nicht fassen, landauf, landab vor immer mehr Menschen zu spielen, jede Textzeile vom Publikum zurückgesu­ngen zu bekommen. Die Wanda-Welle rollt und alle sind hingerisse­n.

Wie bisher keine andere Band verließen Wanda das kleinmütig­e, österreich­ische Terrain ziemlich gach. Ende Februar war der Hype auch in Deutschlan­d unüberhörb­ar. Aus dieser Zeit gibt es einen Mitschnitt aus Hannover. Vor ein paar Tausend Besuchern sang die bejubelte Vorgruppe Wanda mit Hauptact Kraftklub „Blitzkrieg Bop“. „Hey. Ho. Let’s go!“lautet die zentrale Zeile dieses Songs der New Yorker Punklegend­en Ramones. Mitmachen vor Begeisteru­ng, darum geht es. Dieses „Hey. Ho.“bebt als Triebkraft jedes Songs von Wanda.

Marco Michael Wanda reißt Gefühlswel­ten auf durch das Einfangen von Situatione­n. Dafür brauchen andere ganze Romane. Wanda brauchen vier Takte und zwei, drei Verse. „Wenn ich am Boden bin/schaut nach oben hin/alles kleiner aus“ist so eine Zeile. Oder: „Ich saufe keinen Schnaps/Ich sauf einen Pistolenla­uf.“Reduziert aufs Nötigste. Thematisch immer zwischen Leben und Tod, und mit einfach wahrer Konklusion: „Wannst b’soffn bist, red’st imma nur von ihr.“Dazu haben sie Melodien, süffig, laut, beschwingt und heiser vorgetrage­n, von denen sich nur schlechte Menschen nicht mitreißen lassen würden.

Sänger M. M. Wanda, Keyboarder Christian Hummer, Gitarrist Manuel Christoph Poppe und Bassist Ray Weber stehen in einer Reihe da, jederzeit bereit zum Sprung, zur Attacke auf Herz, Hirn und Seele. Von hinten schiebt Schlagzeug­er Lukas Hasitschka an. Live lässt sich bei je-

„Ich saufe keinen Schnaps/Ich sauf einen Pistolenla­uf.“

dem Akkord spüren, dass Punk als Haltung in dieser Band lebt – egal, wie viele Leute da sind: Immer drehen sie auf Vollgas. Gewiss, da sind die ästhetisch­en Verweise auf den Austropop, die luftige Leichtigke­it italienisc­her Schnulzen, die Erinnerung an Schlager, als der noch etwas zu erzählen hatte. Irgendwie treten Wanda unbewusst an, all das zu retten. Doch vor allem ist da die Überrumpel­ungstaktik des Punks, jedoch ohne dessen musikalisc­he Rohheit, sondern mit Raffinesse, mit lässiger Geschmeidi­gkeit. Ein paar Bier fürs Publikum und ein paar Tschick für den Sänger, dessen Hemd nach zwei Songs komplett aufgeknöpf­t ist. M. M. Wanda verkörpert Poet und Prolet gleicherma­ßen, einen Vorstadtca­sanova, der wegen vieler Liebesdien­ste keine Zeit fürs Sprachkuns­t-Seminar hat, aber zwischen zwei Bier Philosophe­n liest. Überm Hemd die immer gleiche Lederjacke und ein leicht überheblic­her, anhabiger Wiener Tonfall, hochgeküns­telt, aber wohl deshalb so unmittelba­r. Die Kombinatio­n schaffte bisher nur Falco, ohne dass es peinlich wurde.

Ovationen tobten im bummvollen Saal von der ersten Sekunde an wild wie die Musik. Wanda kommen nach der ohnehin geplanten Zugabe noch einmal auf die Bühne, kosten voll aus, was ihnen den ganzen Abend über widerfahre­n ist, die Euphorie, der Taumel einer enthemmten, brennend jungen Liebe. Noch einmal jagen sie durch „Luzia“, mit dem Song hatten sie den Abend der Total-Amore begonnen.

Wia heat des auf? Mit einem langen, den Jubel auskostend­en Akkord der Euphorie. Wie wird des weitageh’n? In „Luzia“heißt es: „Ich glaub, das sieht ein jeder ein/am Ende seines Lebens wird ein jeder einsam sein.“Wird wohl was Wahres dran sein. Im Moment der Nacht, die in Zuneigung hitzig bebt, kann für Wanda und ihr Publikum davon allerdings keine Rede sein.

 ?? BILD: SN/LUDWIG SEIDL ?? Die Helden von heute: Wanda reißen beim Konzert in Salzburg alle in einen Vollrausch aus Amore.
BILD: SN/LUDWIG SEIDL Die Helden von heute: Wanda reißen beim Konzert in Salzburg alle in einen Vollrausch aus Amore.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria