Vollrausch aus Amore in der Wanda-Welle
„Ans, zwa, drei, vier – es ist so schön mit dir.“Besser als Wanda selbst kann man das Konzert der neuen Helden in Salzburg nicht beschreiben.
Wanda fallen über das Publikum her wie die erste Liebe. Bedingungslos. Keine Rücksicht auf Verlust. Ein Rausch. Hals über Kopf. Liebe und Vollrausch – aus glückseliger Trunkenheit ebenso wie danach aus verlassener Verzweiflung –, die gehören zusammen. „Ans, zwa, drei, vier – es ist so schön mit dir“, singen die neuen Helden. Aber auch: „Auseinandergeh’n tut weh.“Liebendes Leben und der sichere Tod sind Geschwister. In dieser einen Nacht, von der Wanda erzählen, schlafen sie miteinander.
Ein halbes Jahr nach dem Erscheinen des Debütalbums „Amore“hat diese Band schon ewige Sätze ins österreichische Kulturgut eingeschrieben. Wie Peter Cornelius’ „Du entschuldige, I kenn di“, Georg Danzers „Jö schau, so a Sau“oder Falcos „Drah di ned um“. Übersatz dieser Wanda-Sätze ist: „Wenn jemand fragt, wofür du stehst, sag für Amore, AMORE!“Dies ist die Grundphilosophie ihrer Musik: Überwältigung durch Zuneigung zelebrieren sie – auch am Sonntag im Salzburger Rockhouse.
Sie tanzen so ausgelassen, als könnten sie ihr Glück nicht fassen, landauf, landab vor immer mehr Menschen zu spielen, jede Textzeile vom Publikum zurückgesungen zu bekommen. Die Wanda-Welle rollt und alle sind hingerissen.
Wie bisher keine andere Band verließen Wanda das kleinmütige, österreichische Terrain ziemlich gach. Ende Februar war der Hype auch in Deutschland unüberhörbar. Aus dieser Zeit gibt es einen Mitschnitt aus Hannover. Vor ein paar Tausend Besuchern sang die bejubelte Vorgruppe Wanda mit Hauptact Kraftklub „Blitzkrieg Bop“. „Hey. Ho. Let’s go!“lautet die zentrale Zeile dieses Songs der New Yorker Punklegenden Ramones. Mitmachen vor Begeisterung, darum geht es. Dieses „Hey. Ho.“bebt als Triebkraft jedes Songs von Wanda.
Marco Michael Wanda reißt Gefühlswelten auf durch das Einfangen von Situationen. Dafür brauchen andere ganze Romane. Wanda brauchen vier Takte und zwei, drei Verse. „Wenn ich am Boden bin/schaut nach oben hin/alles kleiner aus“ist so eine Zeile. Oder: „Ich saufe keinen Schnaps/Ich sauf einen Pistolenlauf.“Reduziert aufs Nötigste. Thematisch immer zwischen Leben und Tod, und mit einfach wahrer Konklusion: „Wannst b’soffn bist, red’st imma nur von ihr.“Dazu haben sie Melodien, süffig, laut, beschwingt und heiser vorgetragen, von denen sich nur schlechte Menschen nicht mitreißen lassen würden.
Sänger M. M. Wanda, Keyboarder Christian Hummer, Gitarrist Manuel Christoph Poppe und Bassist Ray Weber stehen in einer Reihe da, jederzeit bereit zum Sprung, zur Attacke auf Herz, Hirn und Seele. Von hinten schiebt Schlagzeuger Lukas Hasitschka an. Live lässt sich bei je-
„Ich saufe keinen Schnaps/Ich sauf einen Pistolenlauf.“
dem Akkord spüren, dass Punk als Haltung in dieser Band lebt – egal, wie viele Leute da sind: Immer drehen sie auf Vollgas. Gewiss, da sind die ästhetischen Verweise auf den Austropop, die luftige Leichtigkeit italienischer Schnulzen, die Erinnerung an Schlager, als der noch etwas zu erzählen hatte. Irgendwie treten Wanda unbewusst an, all das zu retten. Doch vor allem ist da die Überrumpelungstaktik des Punks, jedoch ohne dessen musikalische Rohheit, sondern mit Raffinesse, mit lässiger Geschmeidigkeit. Ein paar Bier fürs Publikum und ein paar Tschick für den Sänger, dessen Hemd nach zwei Songs komplett aufgeknöpft ist. M. M. Wanda verkörpert Poet und Prolet gleichermaßen, einen Vorstadtcasanova, der wegen vieler Liebesdienste keine Zeit fürs Sprachkunst-Seminar hat, aber zwischen zwei Bier Philosophen liest. Überm Hemd die immer gleiche Lederjacke und ein leicht überheblicher, anhabiger Wiener Tonfall, hochgekünstelt, aber wohl deshalb so unmittelbar. Die Kombination schaffte bisher nur Falco, ohne dass es peinlich wurde.
Ovationen tobten im bummvollen Saal von der ersten Sekunde an wild wie die Musik. Wanda kommen nach der ohnehin geplanten Zugabe noch einmal auf die Bühne, kosten voll aus, was ihnen den ganzen Abend über widerfahren ist, die Euphorie, der Taumel einer enthemmten, brennend jungen Liebe. Noch einmal jagen sie durch „Luzia“, mit dem Song hatten sie den Abend der Total-Amore begonnen.
Wia heat des auf? Mit einem langen, den Jubel auskostenden Akkord der Euphorie. Wie wird des weitageh’n? In „Luzia“heißt es: „Ich glaub, das sieht ein jeder ein/am Ende seines Lebens wird ein jeder einsam sein.“Wird wohl was Wahres dran sein. Im Moment der Nacht, die in Zuneigung hitzig bebt, kann für Wanda und ihr Publikum davon allerdings keine Rede sein.