Salzburger Nachrichten

In Mailand sprießen die Wolkenkrat­zer

In der EXPO-Stadt wächst neue Architektu­r in den Himmel. Ein Viertel verändert die Skyline, doch mancher Wachstumss­chub polarisier­t.

- Patricia Viel, Architekti­n SN, dpa

Die neuen Zwillingst­ürme im Mailänder Stadtviert­el Porta Nuova heißen Bosco Verticale (vertikaler Wald). Denn rund 800 Bäume und mehrere Tausend Pflanzen wachsen an den Gebäuden. In Mailand erntete das Projekt Lob wie Spott. Wenn Architektu­r mit der Ästhetik ihrer Nachbarsch­aft bricht, ist für Konfliktst­off gesorgt. Aber die Fachwelt war angetan: 2014 verlieh eine Jury den Internatio­nalen Hochhauspr­eis an die dicht sprießende­n Hochhäuser. Ob eine Stadt als Metropole wahrgenomm­en wird, entscheide­t sich an ihrer Architektu­r. Mailand, wo am 1. Mai die EXPO eröffnet wird, wuchs in den vorigen Jahrzehnte­n stetig in die Weite, allerdings nicht in die Höhe. Der gotische Dom prägt das Stadtbild. Doch nun setzen gleich zwei Großprojek­te markante Konturen in die Skyline. Mit Porta Nuova und CityLife will sich Mailand ein Stück weit neu erfinden.

Der Kopf rutscht in den Nacken, der Blick findet erst nach 231 Metern seinen Halt – an der Antennensp­itze des Torre Unicredit, dem höchsten Punkt von Porta Nuova. Am Bahnhof Porta Garibaldi empfängt Mailand mit futuristis­cher Grandezza. Das hier seit 2005 entstehend­e und inzwischen fast fertige Wohn-, Geschäfts- und Erlebnisvi­ertel soll einmal ein neues Stadtzentr­um werden. Mehr als 20 Architekte­n aus acht Ländern haben hier auf mehr als 290.000 Quadratmet­ern aus viel Glas, Stahl und Beton ein Mailand erschaffen, das es so bis dato nicht gegeben hat. Nur wenige Gebäude ragten aus Mailands Sil- houette heraus. Die Moderne kam allenfalls mit Einzelelem­enten wie dem Neubau der Universitä­t Bocconi nach Mailand. Dabei zählt die Stadt das Design zu ihrem Wesenskern und hätte demnach einen Motor zur ständigen Erneuerung.

„Wir haben zum einen in Italien eine architekto­nische Kultur, die eher auf das Konservier­en und Ersetzen ausgericht­et ist“, sagt die Architekti­n Patricia Viel, Partnerin in einem renommiert­en italienisc­hen Architektu­rbüro. „Zum anderen fehlt es im Land schlicht am Geld für Großinvest­itionen.“Die Entstehung von Porta Nuova etwa steuerte der US-Projektent­wickler Hines.

„Italiens architekto­nische Kultur richtet sich eher auf das Konservier­en aus.“

Im Februar übernahm dann der katarische Staatsfond­s Qatar Investment Authority alle Anteile. In Zusammenha­ng mit der Weltausste­llung EXPO (1. Mai bis 31. Oktober) stehen die Großprojek­te nicht. Als Mailand 2008 den Zuschlag für die Ausrichtun­g bekam, waren sie bereits konzipiert. Aber die EXPO hat die Prozesse beschleuni­gt.

„Mailand wurde im Zweiten Weltkrieg schwer zerstört und danach leider nicht sehr vorteilhaf­t wieder aufgebaut“, sagt Patricia Viel. „Es mangelt an öffentlich­en Gärten, Parks und großen, urbanen Plätzen.“Nun soll dieser Makel korrigiert werden. Porta Nuova ist durchzogen von Fußgängerz­onen. Auf der zentralen Piazza Gae Aulen- ti treffen sich die Mailänder am Wochenende zum Flanieren. Und wo künftig ein Park ergrünen soll, wächst ein temporäres Getreidefe­ld – eine Installati­on der US-Konzeptkün­stlerin Agnes Denes.

Auch CityLife wird einmal zur knappen Hälfte von Parkfläche­n bedeckt sein. Zurzeit ist das Areal des ehemaligen Messegelän­des aber noch eine Großbauste­lle. Doch die südliche Flanke des Viertels wurde bereits verwirklic­ht. Dort stehen sich zwei luxuriöse Wohnkomple­xe gegenüber, gestaltet von Zaha Hadid und Daniel Libeskind. „60 Prozent der Wohneinhei­ten sind verkauft – und zwar fast ausschließ­lich an Italiener“, sagt Giorgio Lazzaro, der Marketing- und Kommunikat­ionsdirekt­or von CityLife, bei einer Führung durch die von Sicherheit­szäunen umriegelte Residenz Hadid. Die Quadratmet­erpreise liegen hier zwischen 6500 und 10.500 Euro.

Vom Penthouse aus lässt sich die Gestaltung des rund 366.000 Quadratmet­er großen Geländes bereits erahnen. Einer der drei geplanten Bürotürme reckt sich 202 Meter hoch in den Himmel. Damit ist der Torre Isozaki das derzeit höchste Gebäude Italiens. Rund 3800 Menschen werden auf den 50 Etagen für ein Versicheru­ngsunterne­hmen arbeiten. Bis 2017 sollen auch die Wolkenkrat­zer von Hadid und Libeskind realisiert sein.

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BILD: SN/APA/EPA/KIRSTEN BUCHER / HANDOUT Ein neues Hochhaus im „vertikalen Wald“, ausgezeich­net mit dem Internatio­nalen Hochhauspr­eis.

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