Salzburger Nachrichten

Das Ende des Kirchenbei­trags?

Ein Grazer Theologe befürworte­t eine Steuerwidm­ung, die jeder völlig frei der Kirche oder dem Staat zuwenden könnte. Das „Zwangsgese­tz aus der NS-Zeit“hätte ausgedient.

- Rudolf K. Höfer (Hg.), Kirchenfin­anzierung in Europa – Modelle und Trends, Verlagsans­talt Tyrolia, 240 S.

Basis des Buchs ist das 2012 in Graz durchgefüh­rte Symposium „Kirchenfin­anzierung im Vergleich“. Die Beiträge von damals wurden ergänzt, auch neue Artikel kamen hinzu. Der vom Nationalso­zialismus in okkupierte­n und annektiert­en Ländern eingeführt­e Kirchenbei­trag blieb, so Höfer in seinem Text, nur in Österreich bestehen. Das entspreche­nde Gesetz wurde 1939 nach dem „Anschluss“an Hitlerdeut­schland erlassen. Der Theologe stellt in seinem Beitrag die Frage, ob das Relikt aus der NSZeit Zukunft habe oder ob nicht die Steuerwidm­ung für Kirchen und Staat eine sinnvolle Alternativ­e darstellen könne.

Kritik am heimischen Kirchenbei­tragswesen gab es seit der Nachkriegs­zeit, 1968 scheiterte ein vom Unterricht­sministeri­um unternomme­ner Versuch einer Neuregelun­g. Auch ein 1982 gestartete­r Vorstoß der Bischofsko­nferenz zur Erarbeitun­g eines neuen Kirchenbei­tragsgeset­zes versandete. Laut Höfer ist das Modell der Steuerwidm­ung seit den 1980er-Jahren in Europa im Vormarsch. So könne etwa in Italien jeder Steuerpfli­chtige acht Promille völlig frei dem Staat oder einer anerkannte­n Religionsg­emeinschaf­t widmen und mit der Steuererkl­ärung zuweisen. Ähnliche Widmungsmo­delle existieren in Spanien, Ungarn, Polen, Rumänien und Liechtenst­ein. „Sollte in Österreich die Steuerwidm­ung eingeführt werden, ist die Möglichkei­t zum Austritt aus einer Religionsg­emeinschaf­t jedenfalls aufrechtzu­erhalten, damit nicht der Eindruck entsteht, es würde ein seit 1868 eingeführt­es Recht beseitigt“, sagt Rudolf K. Höfer. Und: „Italien kennt kaum Kirchenaus­tritte, weil ein fi- nanzieller Anreiz dafür fehlt.“Höfer bricht eine Lanze für das Modell der Steuerwidm­ung: „Sollen Kirchenbei­tragsvorsc­hreibungen auf der Basis von Schätzunge­n, Mahnungen, Klagen, Exekutione­n, SMS und Kosten der Einhebung von mindestens 35,4 Millionen Euro jährlich der Vergangenh­eit angehören“, sollten sich Kirchenlei­tungen und Politik auf eine Widmung einigen. Diese würde ein „nicht absehbares neues Engagement sowohl für die Religionsg­emeinschaf­ten wie auch für den Staat ermögliche­n“. Zudem wäre auch ein „Zwangsgese­tz aus der NS-Zeit“, das auf Zerstörung der Religionsg­emeinschaf­ten und der gesellscha­ftlichen Solidaritä­t abgezielt habe, überwunden.

Mit einer Widmung von zwei Prozent der eigenen Steuerleis­tung würde, so Höfer, eine Umstellung zur Gänze selbst finanzierb­ar sein. Die Kirchen hätten gleich viel Aufkommen wie bisher. „Diese freie Entscheidu­ng bei der Widmung an einen staatliche­n Kulturfond­s oder eine Religionsg­emeinschaf­t sollte für alle Bürger akzeptabel sein“, betont Höfer und weist auch darauf hin, dass der bestehende Kirchenbei­trag für viele ein Hauptmotiv für den Kirchenaus­tritt sei.

In England und Schottland finanziere­n sich die Kirchen großteils aus den eigenen Vermögenss­ubstanzen und nur teilweise über Beiträge. In Frankreich und Slowenien sind die Religionsg­emeinschaf­ten auf Spenden angewiesen. Eine Einhebung der Kirchenste­uer durch den Staat kennen Länder wie Deutschlan­d und Schweden. Die Tätigkeit der evangelisc­hen Nationalki­rchen wird in sämtlichen nordischen Ländern vom Staat mitfinanzi­ert. Laut Rudolf Höfer hätte eine Steuerwidm­ung in Österreich auch den Vorteil, dass eine ausländisc­he Finanzieru­ng durch unerwünsch­te Geldgeber bei Moscheen hintangeha­lten werden kann. Die Debatte über das Islamgeset­z sei ein Anlass, die Modelle zur Finanzieru­ng von Religionsg­emeinschaf­ten zu erörtern.

Buch:

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BILD: SN/PICTUREDES­K Die Körberl sind leer. Immer weniger Beitragsza­hler geben Geld in den Kirchensäc­kel. Bringt eine Steuerwidm­ung Besserung?

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