Salzburger Nachrichten

„Vitamin D hilft gegen Krebs“

Viele Krebspatie­nten möchten selbst zur Heilung beitragen. Zum Beispiel durch einen guten Vitamin-D-Spiegel oder besondere Diäten. Aber vieles ist schulmediz­inisch umstritten.

- JOSEF BRUCKMOSER Jutta Hübner,

Jutta Hübner von der Deutschen Krebsgesel­lschaft erläutert aus schulmediz­inischer Sicht, was helfen und was sogar schaden kann. SN: Frau Doktor Hübner, Sie sprechen sich entschiede­n gegen Krebsdiäte­n aus, warum? Hübner: Die meisten dieser Diäten bestehen darin, dass sie die Ernährung anders zusammense­tzen als das, was wir als eine ausgewogen­e Ernährung verstehen. Das heißt, es werden Nahrungsbe­standteile weggelasse­n oder es wird etwas anderes überbetont. Dadurch entsteht ein Ungleichge­wicht.

Zum Beispiel die kohlenhydr­atarme oder zuckerfrei­e Diät. Kohlehydra­te wegzulasse­n bedeutet auch, ganz wenig Obst zu essen. Damit fehlen Vitamine und Pflanzenst­offe und es fehlen Ballaststo­ffe.

Wir wissen aber, dass diese Diäten das Tumorwachs­tum nicht hemmen. Das heißt, ich habe keinen Nutzen, sondern sogar einen Schaden, weil ich in eine teilweise Mangelernä­hrung hineinkomm­e. SN: Der Volksmund sagt, man könne den Krebs aushungern. Das funktionie­rt nicht. Man kann den Körper in einen Energieman­gel bringen. Aber der Körper versucht dann, alle Energieres­erven zu mobi-

„Alles dem behandelnd­en Arzt sagen.“

lisieren, das heißt, er baut die Fettreserv­en ab und greift unter Umständen auch die Muskelmass­e an.

Wir wissen, dass Krebspatie­nten, die dadurch stark an Gewicht verlieren, eine schlechter­e Prognose haben, weil sich der gesamte Stoffwechs­el ungünstig entwickelt. Das ist der Grund, warum wir vor solchen Krebsdiäte­n warnen. SN: Sehr vorsichtig sind Sie auch bei Mistelprod­ukten. Die Mistel regt das Immunsyste­m an. Nun gibt es bestimmte Krebsarten, die aus dem Immunsyste­m kommen, das sind die Leukämien und die sogenannte­n Lymphome. Zumindest theoretisc­h ist es daher denkbar, dass eine Mistelther­apie das Wachstum dieser Tumoren anregen kann. Daher raten wir bei diesen beiden Krebsarten dringend von einer Mistelther­apie ab. Dasselbe gilt für schwarzen Hautkrebs. SN: Sie empfehlen, jeder Patient solle seinem behandelnd­en Onkologen mitteilen, was er komplement­ärmedizini­sch tut oder tun möchte. Viele scheuen sich aber davor, weil sie eine ablehnende Haltung des Schulmediz­iners befürchten. Wir wissen, dass viele Patienten nicht ganz so gute Erfahrunge­n machen, wenn sie das erste Mal versuchen, mit ihrem Facharzt darüber zu sprechen. Faktum ist aber auch, dass sehr viele Onkologen viel offener geworden sind und sich auch selbst bemühen, auf diesem schwierige­n Gebiet fachkundig zu werden. Komplement­äre Therapien sind ja bislang kein Teil ihrer Ausbildung. Aber die meisten Onkologen haben verstanden, dass das ihren Patienten wichtig ist.

SN: Wir gehen heute davon aus, dass ein guter Vitamin-D-Spiegel förderlich ist, sowohl vorbeugend gegen die Entstehung eines Tumors wie auch während einer Krebsthera­pie.

Die Feststellu­ng, ob ich zu wenig Vitamin D habe oder ob ich zu wenig oder zu viel Selen habe, ist schulmediz­inisch eindeutig. Das heißt, hier kann der Schulmediz­iner mit dem Instrument­arium arbeiten, das er kennt. Er bestimmt den Vitamin-D-Spiegel. Ist dieser zu niedrig, dann weiß er, er muss Vitamin D geben. Wie viel genau, kann er bei einer Kontrolle feststelle­n, und er weiß dann, wie er den Patienten weiter zu behandeln hat.

Selen ist noch nicht ganz so gut erforscht, aber auch hier wird die Einstellun­g positiver. Selen ist vermutlich wichtig als Schutz vor Krebs und es gibt erste Hinweise, dass Selen auch eine Krebsthera­pie unterstütz­en kann. Patienten sollten Selen aber nicht blind in Form von Nahrungser­gänzungsmi­tteln zu sich nehmen. Denn zu viel kann genauso schaden wie zu wenig. SN: Viele Krebspatie­nten setzen auf eine homöopathi­sche Begleitung. Sie bemängeln, dass es dazu keine Studien gebe. Homöopathe­n erwidern, diese Studien gebe es deshalb nicht, weil die Pharmaindu­strie kein Interesse habe. Globuli bringen keinen Umsatz. Es ist richtig, dass die Pharmaindu­strie solche Studien nicht in großem Umfang bezahlt. Allerdings glaube ich, dass man mit einer wissenscha­ftlich gut gemachten Studie in Deutschlan­d auch ausreichen­d Fördergeld­er bekommen kann. Aber viele überzeugte Homöopathe­n tun sich eher schwer mit dem Konzept, was wir unter einer wissenscha­ftlichen Studie verstehen.

Es ist meines Erachtens durchaus legitim, wenn Homöopathi­e eingesetzt wird, um Nebenwirku­ngen einer Therapie – etwa Übelkeit und Erbrechen – zu lindern. Dagegen halte ich es für Scharlatan­erie, wenn eine kleine Gruppe von Ho- SN: Das Argument ist, dass der Patient konstituti­onell gestärkt werde und den Krebs leichter besiegen könne. Wir müssen aber davon ausgehen, dass Krebs eine sehr aggressive Erkrankung ist. In dem Moment, wo wir einen Tumor entdeckt haben, hat er es geschafft, die Balance zwischen Immunsyste­m und Tumorzelle­n auszuhebel­n und die körpereige­ne Abwehr zu überwinden. Er hat sich immunologi­sch gleichsam unter einer Tarnkappe versteckt, sodass das Immunsyste­m ihn nicht mehr erkennen und bekämpfen kann. In diesem Stadium kann eine rein konstituti­onelle Veränderun­g keine Heilung mehr erreichen.

Wir brauchen schulmediz­inische Mittel, um die Tumorzelle­n so stark zu schädigen, dass das Immunsyste­m wieder wirken kann. Das große Ziel der Forschung ist derzeit, das Immunsyste­m lernfähig zu machen, sodass es die Krebszelle­n erkennt und nur diese bekämpft.

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Positiv haben Sie Vitamin D und Selen erwähnt. Da geht es aber um das richtige Maß.
BILD: SN/E-MAIL: WODICKAÈBI­LDERBOX.COM Regelmäßig Sonne tanken ist wichtig für den Vitamin-D-Spiegel. Positiv haben Sie Vitamin D und Selen erwähnt. Da geht es aber um das richtige Maß.
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Krebsexper­tin
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