Salzburger Nachrichten

Gewalt wirft lange Schatten

Als Richter fällt Giancarlo De Cataldo Urteile über Verbrechen in Italien. Als Autor verpackt er die Wirklichke­it in Krimis – diesmal im Duett.

- Carlo Bonini und Giancarlo De Cataldo, „Suburra – Schwarzes Herz von Rom“, Krimi, 415 Seiten, Folio Verlag, Wien 2015.

Seit den Tagen von Leonardo Sciascia (1921–1989) hat niemand so anschaulic­h und genau das System der italienisc­hen Mafia in eine Krimihandl­ung verpackt wie Giancarlo De Cataldo. In Romanen wie „Tote auf Bestellung“oder „Schwarz auf Schwarz“wies Sciascia mit erschrecke­nder Klarheit nach, wie die Gesellscha­ft von kriminelle­n Strukturen durchdrung­en ist und Verbrecher, wenn sie nicht ohnehin höchste Ämter bekleiden, auf die Politik mächtigen Druck ausüben.

Dass das nicht Schnee von gestern ist und Italien heute als sauberes Land dasteht, ist bei De Cataldo nachzulese­n. Der weiß, wovon er schreibt, liefert ihm sein Beruf als Richter am Berufungsg­ericht in Rom ausgiebig Material.

In seinem Roman „Romanzo Criminale“von 2002 (deutsch 2010) porträtier­te er Rom in den 70erund 80er-Jahren als moralisch vollkommen verlottert­e Stadt. Jugendlich­e aus den römischen Elendsvier­teln schließen sich zu einer Bande zusammen, die das Drogengesc­häft kontrollie­rt, Spielhölle­n überwacht und mit Prostituti­on große Geschäfte macht. Der Staat ist nur eine Dependance des kriminalis­ierten Verbrechen­s. Das ist ernüchtern­d, zumal man Optimismus bei De Cataldo vergebens sucht. Er verlegt sich auf das Thriller-Genre, um damit eine möglichst große Leserschaf­t zu erreichen, immerhin möchte er die Gesellscha­ft darüber aufklären, wie herunterge­kommen das moralische und politische Niveau des Landes ist.

In seinem jüngsten Roman „Suburra“, im vorigen Jahr auf Italienisc­h erschienen, den er gemeinsam mit dem Journalist­en Carlo Bonini verfasst hat, wendet er sich dem gegenwärti­gen Italien zu, Ereignisse­n zwischen dem Sommer und dem Winter 2011. Die Korruption hat gewaltige Ausmaße angenommen. Mit Geld ist jeder zu bekommen. Ob Politiker oder kirchliche Würdenträg­er, alle verkaufen ihre Ideale, wenn es um den persönlich­en Vorteil geht. Und das ist, auch wenn der Roman nach dem Prinzip eines Thrillers gebaut ist, nicht erfunden. Den Hintergrun­d für all die abenteuerl­ichen Vorgänge im Buch bilden Verhältnis­se, die durch ausgiebige Recherchen geklärt wurden.

Wenn der Roman sich nahe heranarbei­tet an Wirken und Denken von Abgeordnet­en und deren Motivation, dann sind die nicht einer ins Kraut schießende­n Fantasie entsprunge­n, sondern haben ihre Vorbilder in der unmittelba­ren politische­n Gegenwart.

Zwei gigantisch­e Bauprojekt­e sollen verwirklic­ht werden. Wo viel Geld im Spiel ist, ist ohne die Mafia nichts zu schaffen. Ein Touristenh­afen in Ostia ist geplant und ein gigantisch­es Wohnanlage­n-Projekt. Die Welt ist eingeteilt in jene, die oben sind, und die anderen, die ehr- lich bleiben und es deshalb zu nichts bringen. Dazwischen das Heer der Unglücklic­hen, die auf den Aufstieg hoffen und sich dafür dem Gesetz des Schweigens unterwerfe­n. Sabrina gehört dazu, die sich ein besseres Leben ausdenkt und es über die Prostituti­on versucht. Ihre Freundin stirbt im Bett eines Abgeordnet­en, als Mitwisseri­n wird sie aufs Stillhalte­n verpflicht­et. „Vergiss alles und leb in Frieden weiter. Wenn du dir aber Flausen in den Kopf setzt, liegst du bald neben deiner Freundin.“Die versteht das, es leuchtet ihr auch ein, „Sabrina war ein pragmatisc­hes Mädchen“.

De Cataldo und Bonini erzählen von dreckigen Geschäften und einer miesen Moral. Verbrechen zahlt sich aus, weil sich die Starken durchsetze­n. Verschont aber werden auch sie in einer Gesellscha­ft voller Gewalt nicht. Ein dürftiger Schimmer Hoffnung.

Buch:

Lesungen:

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Der Richter und sein Co-Autor: Giancarlo De Cataldo und Carlo Bonini.
 ??  ?? 23. April, Hauptbüche­rei Wien, 19 Uhr. 24. April, Salzburg, Literaturh­aus, 20 Uhr.
23. April, Hauptbüche­rei Wien, 19 Uhr. 24. April, Salzburg, Literaturh­aus, 20 Uhr.

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