Gewalt wirft lange Schatten
Als Richter fällt Giancarlo De Cataldo Urteile über Verbrechen in Italien. Als Autor verpackt er die Wirklichkeit in Krimis – diesmal im Duett.
Seit den Tagen von Leonardo Sciascia (1921–1989) hat niemand so anschaulich und genau das System der italienischen Mafia in eine Krimihandlung verpackt wie Giancarlo De Cataldo. In Romanen wie „Tote auf Bestellung“oder „Schwarz auf Schwarz“wies Sciascia mit erschreckender Klarheit nach, wie die Gesellschaft von kriminellen Strukturen durchdrungen ist und Verbrecher, wenn sie nicht ohnehin höchste Ämter bekleiden, auf die Politik mächtigen Druck ausüben.
Dass das nicht Schnee von gestern ist und Italien heute als sauberes Land dasteht, ist bei De Cataldo nachzulesen. Der weiß, wovon er schreibt, liefert ihm sein Beruf als Richter am Berufungsgericht in Rom ausgiebig Material.
In seinem Roman „Romanzo Criminale“von 2002 (deutsch 2010) porträtierte er Rom in den 70erund 80er-Jahren als moralisch vollkommen verlotterte Stadt. Jugendliche aus den römischen Elendsvierteln schließen sich zu einer Bande zusammen, die das Drogengeschäft kontrolliert, Spielhöllen überwacht und mit Prostitution große Geschäfte macht. Der Staat ist nur eine Dependance des kriminalisierten Verbrechens. Das ist ernüchternd, zumal man Optimismus bei De Cataldo vergebens sucht. Er verlegt sich auf das Thriller-Genre, um damit eine möglichst große Leserschaft zu erreichen, immerhin möchte er die Gesellschaft darüber aufklären, wie heruntergekommen das moralische und politische Niveau des Landes ist.
In seinem jüngsten Roman „Suburra“, im vorigen Jahr auf Italienisch erschienen, den er gemeinsam mit dem Journalisten Carlo Bonini verfasst hat, wendet er sich dem gegenwärtigen Italien zu, Ereignissen zwischen dem Sommer und dem Winter 2011. Die Korruption hat gewaltige Ausmaße angenommen. Mit Geld ist jeder zu bekommen. Ob Politiker oder kirchliche Würdenträger, alle verkaufen ihre Ideale, wenn es um den persönlichen Vorteil geht. Und das ist, auch wenn der Roman nach dem Prinzip eines Thrillers gebaut ist, nicht erfunden. Den Hintergrund für all die abenteuerlichen Vorgänge im Buch bilden Verhältnisse, die durch ausgiebige Recherchen geklärt wurden.
Wenn der Roman sich nahe heranarbeitet an Wirken und Denken von Abgeordneten und deren Motivation, dann sind die nicht einer ins Kraut schießenden Fantasie entsprungen, sondern haben ihre Vorbilder in der unmittelbaren politischen Gegenwart.
Zwei gigantische Bauprojekte sollen verwirklicht werden. Wo viel Geld im Spiel ist, ist ohne die Mafia nichts zu schaffen. Ein Touristenhafen in Ostia ist geplant und ein gigantisches Wohnanlagen-Projekt. Die Welt ist eingeteilt in jene, die oben sind, und die anderen, die ehr- lich bleiben und es deshalb zu nichts bringen. Dazwischen das Heer der Unglücklichen, die auf den Aufstieg hoffen und sich dafür dem Gesetz des Schweigens unterwerfen. Sabrina gehört dazu, die sich ein besseres Leben ausdenkt und es über die Prostitution versucht. Ihre Freundin stirbt im Bett eines Abgeordneten, als Mitwisserin wird sie aufs Stillhalten verpflichtet. „Vergiss alles und leb in Frieden weiter. Wenn du dir aber Flausen in den Kopf setzt, liegst du bald neben deiner Freundin.“Die versteht das, es leuchtet ihr auch ein, „Sabrina war ein pragmatisches Mädchen“.
De Cataldo und Bonini erzählen von dreckigen Geschäften und einer miesen Moral. Verbrechen zahlt sich aus, weil sich die Starken durchsetzen. Verschont aber werden auch sie in einer Gesellschaft voller Gewalt nicht. Ein dürftiger Schimmer Hoffnung.
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