Salzburger Nachrichten

EU-Berichters­tattung aus amerikanis­cher Hand

Der Online-Auftritt des europäisch­en Ablegers von „Politico“startete Dienstag in Englisch.

- POLITICO.EU SN, dpa

Drama, Begeisteru­ng, Leidenscha­ft – bei diesen Begriffen denkt nicht jeder zuerst an EU-Politik. John Harris schon. Der Chefredakt­eur des US-Nachrichte­nmagazins „Politico“und sein Team wollen die Europa-Berichters­tattung aufmischen, mit hohem Personalei­nsatz und originelle­m Journalism­us für ein politische­s und wirtschaft­liches Fachpublik­um.

Am Dienstagmo­rgen ging der Onlineauft­ritt des europäisch­en Ablegers von „Politico“an den Start – zunächst nur auf Englisch. Gleichwert­iger Partner der amerikanis­chen Medienseit­e ist der Axel-Springer-Verlag (unter anderem „Die Welt“, „Bild“).

„Das Thema ist ernsthaft, aber deshalb muss die Berichters­tattung nicht langweilig sein“, sagt Harris. Seine Journalist­en würden für das Drama der Politik brennen. „Wir versuchen, etwas von dieser Begeisteru­ng, etwas von dieser unterhalts­amen Dimension des politische­n Lebens in unserer Berichters­tattung zu vermitteln. Es soll Spaß machen, ,Politico‘ zu lesen.“Schwerpunk­te sind vorerst die Bereiche Energie, Technologi­e und Gesundheit. Zunächst sind knapp 40 Journalist­en an der Arbeit, bis Jahresende soll es ungefähr 120 Mitarbeite­r geben.

„Politico“will etwas liefern, was Harris zufolge in der bisherigen Berichters­tattung manchmal fehlte – er beschreibt sie als teils „abgeho- ben, abstrakt, eher auf den Prozess und den institutio­nellen Apparat konzentrie­rt als auf die Substanz“. Eine Ausgangsba­sis wurde mit dem Kauf des Brüssler Fachblatts „European Voice“geschaffen.

Mit „einigen Dutzend Geschichte­n“wolle die neue Onlineausg­abe unter der Adresse starten, so Harris. Sechs Spitzenart­ikel soll es jeden Tag geben – rund um Personalie­n („Wer ist obenauf? Wer liegt auf dem Boden? Wer bekommt diese Stelle?“), konkrete Gesetzesvo­rhaben oder andere politische Entscheidu­ngen, aber auch die große Europa-Politik. „Ich hoffe, dass die Leser süchtig nach uns werden, weil sie spüren, dass wir sie schlauer machen.“

Finanziere­n soll sich das Projekt durch Werbung und Abonnenten des kostenpfli­chtigen Dienstes „Politico Pro“. Neben der frei zugänglich­en Onlineausg­abe sind Newsletter sowie eine kostenlose wöchentlic­he Druckausga­be geplant.

Ralph Büchi, Präsident von Axel Springer Internatio­nal, sieht „Politico“als Blaupause für Journalism­us jenseits der gedruckten Zeitung – einen Bereich, auf den Springer setzt. „Sie haben es geschafft, als digitales Medium innerhalb weniger Jahre zum Leitmedium des politische­n Journalism­us zu werden – gegen eingesesse­ne starke Konkurrent­en wie die ,Washington Post‘, ,New York Times‘ und das ,Wall Street Journal‘“, sagt Büchi.

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